„Wie schön ist die Prinzessin Salome…“Eine Wiederaufnahme der Salome an der Staatsoper Hamburg

„Wie schön ist die Prinzessin Salome…“ Eine Wiederaufnahme der Salome an der Staatsoper Hamburg

Nein, schön ist sie  wirklich nicht die Prinzessin von Judäa, wie sie sich uns da in Willy Deckers jetzt fünfzehn Jahre alter Inszenierung in Hamburg  präsentiert. Sie ist eine glatzköpfige Schaufensterpuppe im langen weißen Flatterkleid. Glatzköpfig und jetzt noch dazu mehr oder weniger monumentale Kleiderständer sind auch Herodes und Herodias, Narraboth und der Page.  Mannequins, Marionetten, Kunstfiguren sind sie alle, die da dem machtvollen, selbstsicheren Fundamentalisten mit langem Haar und langem Bart, grauer Mönchskutte und weitem Mantel gegenübertreten. Der Prophet – so signalisieren es  die zunächst befremdlichen Kostüme – ist der einzige Mensch, der einzige Authentische in einem Panoptikum grotesker Kunstfiguren. Und so ist es nur konsequent, dass dieser Mensch die Puppen dominiert und dass eine Salome, die in ihrer Welt keinen Platz gefunden hat, ihre Hoffnung auf diesen Menschen, auf diesen so fremdartig Authentischen setzt. Eine traditionelle psychologisierende Deutung des Salome Mythos, die überzeugt und fasziniert, die spannungsvoll und  brillant ist, die vielleicht mit Ausnahme des etwas zu platt geratenen Finale unter Verzicht auf alle aufgesetzte Erotik in Szene gesetzt wird. Wer denn so will, mag in der Treppe – Ort der Handlung ist eine gigantische Treppe, auf der sich die Akteure in alle Richtungen bewegen – eine Freud Variante, einen  Hinweis auf  dessen Deutung  der Leiter als Koitussymbol sehen, mag, wenn Salome dem Propheten den Mantel entreißt, sich in diesen hüllt und im Finale sich zusammen mit dem „Kopf des Jochanaan“ gänzlich in diesen einrollt, wer denn so will, mag in diesen Szenen Vereinigungsphantasien  und Eros und Thanatos Imaginationen  sehen. Wer denn so will, mag in dem Messer, mit dem Salomo ständig spielt – es ist das Messer, mit dem sich der „junge Syrer“ erstochen hat und mit dem sich Salome in der Schlussszene  selber töten wird, nicht nur ein Werkzeug des Todes, sondern  auch ein Phallus  Symbol sehen. All dies sind nur Angebote, Appelle an die Phantasie des Zuschauers, keine Deutungszwänge, die die Regie dem Publikum aufoktroyieren will. Wie schön, dass eine Inszenierung, eben die Inszenierung einer der Größen des ‚Regietheaters’, die bei vielen anderen Häusern schon  längst verstaubt wäre, hier in Hamburg noch geradezu taufrisch erscheint und auch noch nach so vielen Jahren das Publikum  zu begeistern vermag. Und wenn noch dazu in allen Rollen brillant gesungen und gespielt wird und wenn nicht zuletzt ein Orchester wie die Philharmoniker Hamburg einen farbigen, rauschhaften Strauss zu spielen weiß, ja dann kann auch eine ganz normale Repertoire- und Abonnementvorstellung zu einem großen Theaterabend werden. Wir sahen die Vorstellung am 21.März 2010. Es war laut Besetzungszettel die 40. Vorstellung seit der Premiere im April 1995.