Seiltänzer Lohengrin bei den Karlsruher Sportfreunden. Eine verunglückte Inszenierung im Badischen Staatstheater

Badisches Staatstheater, Karlsruhe

Die Oper in Karlsruhe ist für mich ein Geheimtipp. Weiß man dort doch Wagner und Berlioz auf ungewöhnlich hohem Niveau zu spielen. In Orchesterklang und Gesang gelingen dort immer wieder herausragende Aufführungen. Und das gilt auch  – was den musikalischen Part angeht – für die Lohengrin Aufführung, die wir  am Karfreitag in Karlsruhe besuchten. Heidi Melton als Elsa singt geradezu berückend schön, und Lance Ryan – mag er zu Anfang auch ein bisschen wie Siegfried klingen –  ist ein überragender Lohengrin, einfach ein Wagner Sänger par excellence. Da auch alle anderen Rollen überdurchschnittlich gut besetzt sind und die Badische Staatskapelle unter Maestro Justin Brown auch dieses Mal einen höchst brillanten Wagner spielt, blieben eigentlich keine Wünsche offen. Ja, wäre da nicht die so dürftige und einfallslose Inszenierung. Ob als Häuslebauer und Zimmermann, als Guru und als Märchenprinz, als Marionette oder als Anführer balkanischer Kriegerhorden, ob als Künstler oder unverstandener Liebhaber, Wagners Gralsritter ist halt für alles gut, ist offensichtlich eine so polyvalente Gestalt, dass er zu den unterschiedlichsten Deutungen einlädt. In Karlsruhe hat es sich die für die Regie verantwortliche Dame ganz einfach gemacht. Singt die arme Elsa nicht davon, dass ihr Retter aus den Lüften zu ihr kommt? („gelehnt auf sein Schwert, so trat er aus den Lüften zu mir“). Da liegt es doch ganz nahe, ihn gleich zum Seiltänzer zu machen. Sucht der König nicht Soldaten für seine Kampagne? Da liegt es doch ganz nahe ihn zum Politiker auf einer Wahlkampagne zu machen. Sind die Bösen nicht immer wie Mafiosi gekleidet? (das kennen wir doch aus den amerikanischen Krimis). Da liegt es doch nahe, das Intrigantenpaar bei Wagner zum Mafioso nebst Gespielin zu machen, die den bewährten Wahlkampf stören. Und ist der Sportplatz nicht der geeignete Versammlungsort mit seinen Tribünen für das Volk, mit seinen Stehtischen für die Vips? Ergo verlegen wir die ganze Handlung auf einen Sportplatz. Und fertig sind wir. Alles andere ergibt sich dann von selbst. Ja, warum auch nicht. Doch was machen wir so viele Worte um eine dürftige Inszenierung. Einen Vorteil hat sie alle Male: sie lenkt nicht von Orchesterklang und Gesang ab, und man ist der Regie im Nachhinein noch dankbar dafür, dass Elsa, ohne dass sie irgendwelche Mätzchen machen muss, „Einsam  in trüben Tagen […]“ gleich von der Rampe singen darf und Lohengrin sich auf das Siegerpodest hocken und von dort aus die Gralserzählung vortragen darf. So stört die Inszenierung nicht weiter, und wir im Publikum können uns wie bei einer konzertanten Aufführung von der Musik gefangen nehmen lassen. A propos konzertante Aufführung. Ein Vorschlag an die Intendanz: wenn  Claus Guth oder Stefan Herheim, Christof Loy oder Krzyztof Warlimkowski oder auch Frau Nemirowa schon lange ausgebucht  oder vielleicht auch zu teuer für Karlsruhe sind, dann nehmen Sie sich doch ein Beispiel am Berliner Rundfunksinfonieorchester. Die füllen bei ihren konzertanten Wagner Aufführungen gleich die  Philharmonie bis auf den letzten Platz. Auch Sie in Karlsruhe haben mit Ihrer Badischen Staatskapelle und Ihren so brillanten Gesangssolisten doch alle Möglichkeiten, mit den Berliner mitzuhalten. Den nächsten Lohengrin bitte konzertant.

Wir sahen die Vorstellung am 6. April 2012, die zweite Aufführung nach der Premiere am 1. April 2012.