Heterogene Phantasien. David Marton inszeniert La Damnation de Faust am Landestheater Linz

Wenn man in den letzten beiden Jahren zwei absolute Spitzenaufführungen der Damnation gesehen hat, dann sollte man nicht unbedingt zur nächsten Aufführung in die österreichische Provinz fahren, auch wenn ein so begabter Theatermacher wie David Marton inszeniert. Das kann nur mit einer Enttäuschung enden. Und so war es auch.

In Paris hatte Alvis Hermanis vor zwei Jahren eine aktualisierende Variante des Faust Mythos in Szene gesetzt, als er Stephen Hawking zum Doktor Faust des 21. Jahrhunderts machte, dessen Vorstellung von der Besiedlung fremder Planeten als Herausforderung des 21. Jahrhunderts aufgriff und mit Verweisen auf Bill Viola und Stanley Kubrik illustrierte. In Berlin, an der Staatsoper im Schiller Theater, hatte in der vergangenen Spielzeit Terry Gilliam die deutsche Kultfigur des Doktor Faust zu einer grotesken Comicfigur verdreht  und diese im Sumpf der deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts waten lassen. Zwei Inszenierungen, die für die Berlioz-Rezeption zweifellos Maßstäbe gesetzt haben.

Jetzt in Linz hat David Marton, der uns in Brüssel mit einer vielschichtigen Capriccio Inszenierung begeistert hatte, eine wenig überzeugende Damnation de Faust vorgestellt. Sein Faust ist kein Struwwelpeter und schon gar nicht ein genialer Astrophysiker. Er ist ein vertrottelter junger Mann, den es unter eine halb abgebrochene Autobahnbrücke – vielleicht in die Wüste von Arizona – verschlagen hat. Ein naiver Bursche, der sich leicht vom Geschäftsmann Méphistophélès für dessen Zwecke einfangen lässt. Mit anderen Worten: die Regie hat sich für eine banalisierende und aktualisierende Variante des Mythos entschieden und dreht diese in einem eher langweiligen Bilderbogen ab. In einem Bilderbogen aus Trash, Agentenfilm, Horrorfilm, Roadmovie, faschistischen Jungvolkauftritten, Holocaust Szenen, längeren Goethe Zitaten, mal in deutscher, mal in englischer Version, Massenauftritten von geklonten Méphistophélès- und Marguerite Figuren.

Es mag ja sein, dass die Regie mit ihrer vielleicht gewollten Inkohärenz Berlioz folgen wollte, der ja nicht eine Geschichte erzählen und in Musik setzen wollte, sondern unverbundene Szenen aneinander reihte.

Nicht minder enttäuschend als die Inszenierung ist der Musik-Part. Aus der doch so wunderschönen Berlioz Musik wurde in Linz, so schien es mir zumindest, über weite Strecken hinweg ein Einheitsbrei. Es mag sein, dass ich das nicht richtig gehört oder vielleicht auch Berlioz missverstanden habe. Sagen wir also einfach: es hat mir nicht gefallen, wie in Linz musiziert wurde. Auch die drei Solisten haben uns nicht gerade begeistert. Keine Frage, diese Partien stellen höchste Ansprüche an ihre Interpreten. Ich versage mir jegliche Sängerkritik (wir sind nicht auf dem Fußballplatz, wo die Zuschauer ja alles besser wissen als die Akteure auf dem Spielfeld). Doch, mit Verlaub gesagt: mir schien es, als ob der Sänger des Faust (die Zweitbesetzung) an diesem Abend nicht unbedingt in Hochform war. Die beiden anderen Hauptrollen, die mittlere, die der Marguerite, und die große, die des Méphistophélès, waren so besetzt, wie man das von einem Landestheater erwartet.

Alles in allem: ein recht   enttäuschender Abend. Nun ja, Linz ist nicht Paris und nicht Berlin. Die entsprechenden Abstriche haben wir schon gemacht. Doch ein bisschen mehr hätten wir schon erwartet – und so manch anderer im Publikum auch. Der Herr vor mir war gleich eingeschlafen und nutzte seinen Sitzplatz als Liegestuhl. Die Dame links von mir rettete sich von einem Hustenanfall zum nächsten und kam nach  der Pause nicht wieder. Die Dame rechts von mir mühte sich geräuschvoll, das Programmheft während der Vorstellung zu entziffern. Das Haus war wohl nur zur Hälfte besetzt.

Wir besuchten die Aufführung am 11. März 2018. Die Premiere war 3. Februar 2018.