Nach so manchen szenisch und musikalisch recht mittelmäßigen Aufführungen – wir wollen höflicherweise nicht von Flops sprechen – , die wir in dieser Saison ertragen mussten, bringt die Oper in Düsseldorf mit ihrem Auftakt zum neuen Ring endlich wieder einmal erstklassiges Musiktheater zustande.
Beim Düsseldorfer Rheingold gibt es nichts (oder kaum etwas) zu bekritteln. Hier stimmt nahezu alles. Hier stehen brillante Sängerdarsteller auf der Bühne – allen voran Michael Krauss als grandioser Komödiant und Sänger in der Rolle des Alberich und Simon Neal als jugendlicher, souveräner Wotan, ein Sänger, dem selbst im Finale, in seiner letzten großen Szene , nicht eine Spur von Müdigkeit anzumerken war.
Im Graben setzt man mehr auf Zurückhaltung statt auf Rausch – und das wohl zu Recht. Im Rheingold sind wir ja noch in der Komödie (abgesehen von einer Männerleiche). Die Wagnerdroge wird uns wohl Maestro Axel Kober erst im ersten Akt der Walküre und im dritten Akt des Siegfried anbieten. Haben wir also noch etwas Geduld.
Als Komödie begreift auch Dietrich W. Hilsdorf Das Rheingold, als Komödie, der er das Schema ‚Theater auf dem Theater‘ überstülpt. In diesem Theater ist Loge Prinzipal und Spielleiter. Er öffnet den Vorhang, den Zwischenvorhang, zu seinem Theater, einer Bühne, die weniger Theater und mehr anrüchiges Etablissement ist. In das ‚Extrazimmer‘ dieses Hauses führt er Alberich, vom Outfit her ein etwas schmuddeliger Kleinunternehmer aus der Gründerzeit, der bei den drei Animierdamen (bei Wagner die Rheintöchter) des Etablissement ‚Entspannung‘ sucht und den die Damen auf die Möglichkeiten der Kapitalvermehrung hinweisen.
Zum Personal des Etablissement gehört auch ein gewisser Wotan, der wohl noch nicht das Kostüm des herunter gekommenen Landstreichers, den er zuletzt in Warten auf Godot gespielt hat, abgelegt hat. Angetan mit schwarzer Brille und schwarzem Hut, das Gesicht verhüllt und im Rollstuhl sitzend, wird er von einer matronenhaften Fricka auf die Szene gefahren. Nach kurzem Zögern („Wotan erwache“) legt er die Kostümierung von gestern ab und schlüpft in die Rolle des schneidigen und windigen Unternehmers der Gründerzeit, der es mit zwei dynamischen Bergarbeiterfunktionären zu tun bekommt ( bei Wagner die Riesen). Loge ist der etwas schmierige Schauspieler und Theatermacher, der den Laden am Laufen hält. Und Alberichs Unterwelt ist natürlich die Zeche – gespielte Zeit ist ja die Gründerzeit – die Zeche, in der kräftige Kumpel mit geschwärzten Gesichtern mit Kohle beladene Lohren schieben. Fricka ist, wie gesagt, eine energische Matrone, im Etablissement zuständig für die Rolle der starken Frau. Und die kleinen Götter? Die stehen halt so herum. Im Rheingold hat man für jugendliche Liebhaber nicht die geeigneten Rollen.
Theater auf dem Theater, vulgo: Metatheater, Komödie unter Unternehmern der Gründerzeit, vulgo: die Entstehungszeit des Rings ist zugleich die erzählte Zeit der Inszenierung, und das Gold regiert die Welt, sprich: in der Wagnerzeit heißt das neue Gold ‚Kohle‘, Verfügungsgewalt über die Kohle.
Ein schlüssiges und zugleich ein unterhaltsames Konzept, das allerdings nicht unbedingt neu ist. Wotan und Alberich und die Riesen in der Welt der Kapitalisten und der Industriebarone des 19. Jahrhunderts, Komödie im verruchten Ambiente, Theater auf dem Theater, das ist alles, wenn man so will, Regietheater aus der Welt von Gestern. Keine Frage, das ein so routinierter Theatermacher wie Hilsdorf mit diesem Zitatenmaterial zu spielen, es souverän durcheinander zu wirbeln und es brillant in Szene zu setzen weiß.
Ein schöner, ein musikalisch und szenisch überaus gelungener, wenn auch nicht unbedingt ein ‚berauschender‘ Wagner Abend in Düsseldorf.
Wir sahen die Aufführung am 25. Juni, die zweite Vorstellung nach der Premiere am 23. Juni 2017.