Vor fast auf den Tag genau fünf Jahren haben wir Guths Parsifal im Liceu in Barcelona gesehen, einen Parsifal, der jetzt im April in großer Besetzung in Madrid wiederaufgenommen wird.
Alles, was ich mir damals in Barcelona notierte, kann ich auch heute noch unterschreiben (Der Interessierte findet meine Bemerkungen unschwer im Block). Zu ergänzen wäre nur, dass man in Madrid unter Maestro Paul Weigold noch stärker als schon in Barcelona auf extrem langsame Tempi setzt, auf edle Langsamkeit und feierliche Getragenheit und damit eine musikalische Tradition wiederaufnimmt, für die schon die Madrider Erstaufführung des Parsifal am 1. Januar 1913 berühmt war. – So liest am es im Programmheft.
Noch eine weitere Besonderheit fiel mir in Madrid auf, eine Besonderheit der Inszenierung, die mir damals in Barcelona nicht so recht bewusst geworden ist und die das Schlussbild suggeriert: Parsifal auf der Tribüne, im Outfit des hohen Militärs, nimmt die Huldigung der in feierliches Schwarz gekleideten zivilen Politiker entgegen. Für Claus Guth ist der Parsifal ein politisches Stück. Hier geht es nicht um religiösen Synkretismus‚ um eine christlich- buddhistische ‚Erlösung‘. Hier geht es um einen Bürgerkrieg (den spanischen? Oder vielleicht um den europäischen Bürgerkrieg, vulgo: den ersten Weltkrieg?), den zwei miteinander Verfeindete begonnen haben und den nur ein von außen kommender Militär beenden kann. Parsifal, der Militärdiktator, der die miteinander verfeindeten Anführer Amfortas und Klingsor zur Abdankung zwingt und selber die Macht übernimmt.
Parsifal, eine gefährliche politische Parabel? Wie dem auch sei. In Madrid, wie schon vor Jahren in Barcelona, ist ein szenisch und musikalisch grandioser Parsifal zu erleben – mit Anja Kampe als Kundry und Evgeny Nikitin als Klingsor, Franz-Josef Selig als Gurnemanz und Christian Elsner in der Titelrolle.
Wir sahen die Aufführung am 9. April 2016, die dritte Vorstellung der laufenden Serie.