Trash nebst Parodie und ohne Wagner-Rausch. Siegfried am Staatstheater Nürnberg

Dass Siegfried als Unterschichtenbengel mit einem Mime Proleten in einer heruntergekommenen Küche haust, das ist nicht neu. Das proletarische Küchenambiente gehört zu den Standardmaterialien der Wagner Ausstatter. Dass der Wanderer wohl gerade aus dem Obdachlosenasyl entlaufen ist, Alberich wohl sein Leben als Türsteher fristet und auf den armen Wotan pinkelt, dass Fafner seinen Schatz unter einer zerbrochenen Autobahn hütet, dass der Waldvogel als Revuegirl auf Krücken daher kommt, dass Erda wohl im Keller eines Schwulenpuffs schläft und vom Macho Wotan geohrfeigt wird… Ja, warum auch nicht. Trash, Trash! Überall Trash! Wohin ich forschend blick‘.

Ich mag die bei Theatermachern mit  offensichtlichem Brecht-Schaden noch immer so beliebte Trash Masche nicht sonderlich. Dieser verquaste vermeintliche ‚Realismus‘ langweilt mich nur. Doch wenn das Trash Theater durch gezielte Übertreibung als Parodie angelegt ist, dann kann es wie jetzt in Nürnberg  in der Regie von Georg Schmiedleitner höchst amüsant sein. Dann wird Wagner nicht herabgezogen, sondern dann wird wie bei einst bei Nestroy die dem Text und wohl auch der Musik inhärente Komik herausgestellt. Eine Komik, die in den ersten beiden Akten noch eher zurückhaltend eingesetzt wird und daher den Zuschauer noch im Trash Ambiente gefangen hält und die im dritten Akt voll ausgespielt wird – und der Klamotte recht nahe kommt. Brünnhilde ist in Kostüm und Maske und Bühnenerscheinung die schwere  Wagnerheroine aus Alt-Bayreuth, die in der Tat den kleinen Siegfried das Fürchten lehrt.  Die eben Erwachte rekelt sich erst einmal ausgiebig, gähnt, rollt mit den Augen und stürzt sich auf den am Boden hockenden Siegfried, als wolle sie ihn gleich vergewaltigen. Auf die langen Tiraden des wild wütenden Weibs reagiert der Siegfriedbengel nur höchst gelangweilt, holt aus der Kulisse die Couch, den Fernseher, die Bierflaschen, Aktivitäten, die Brünnhilde dazu veranlassen, sich ihrer Rüstung zu entledigen, sich den Krimsekt vom gerade herein geschobenen Büffet zu schnappen, es sich auf der Couch zum Fernsehabend gemütlich zu machen und nach Kartoffelchips und Siegfried zu greifen. Siegfried als Couch-Potato und Brünnhilde als seine Mama feiern den „lachenden Tod“, der als Karnevalsfigur neben dem Buffet steht. Die Nürnberger Siegfried Posse ein großes finales Gaudi.

Und wo bleiben Wagner-Rausch und Wagner-Pathos?  Abgeschafft. Maestro Marcus Bosch mag das nicht und gibt dem Affen keinen Zucker. In Nürnberg ist ein anderer, ein zurückhaltender Wagner zu hören. Der traditionelle „Hang zur Breite, Schwere und zum Pathos“ – so der Maestro im Programmheft –  sei „gegen Wagners  eigene Artikulationszeichen realisiert worden“ (vgl. Seite 28).  Wenn dem so ist. Ich kann das als Nichtmusiker nicht beurteilen. Ich kann nur sagen: Boschs Interpretation hat mir gefallen.

Wir sahen und hörten die Aufführung am 21. Juni 2015. Die Premiere war am 19. April  2015.