Es mag ja sein, dass die Euryanthe Musik zu Unrecht ein Schattendasein führt. Es mag auch sein, dass die Euryanthe den typischen „Weberton“ verkörpert, dass sie in manchen Passagen Berlioz und Wagner schon vorweg nimmt. Aber ein Proto-Wagner ist eben noch kein Wagner. Diese Musik, so schön und eingängig sie auch in den Kavatinen der Protagonistin ist, berauscht nicht. Sie langweilt – und den gleichen Effekt erzielt die Inszenierung.
Die Regie hat tief und wahllos in die Theaterkiste gegriffen und eine Melange aus Weiberobsessionen einer versoffenen Männergesellschaft, Nightmare Fantasien, schwarzer Romantik, Gruselkabinett und Metatheatereinlagen angerührt. Da wetten in einer Bar vom Whisky selige, dümmliche Machos aus den besseren Kreisen auf die Verführbarkeit bzw. ewige Treue einer etwas in die Jahre gekommenen Schönheit, da geistern die ‚schnöden Revenanten‘ aus der gothic novel durch die Szene, da tummeln sich die grotesken Figuren Goyas und Füslis auf der Bühne, da fehlt es nicht an Burgruinen und Friedhöfen und einem Revuetheater. Da dürfen die alten Herren ihre Lust an der vermeintlich untreuen Euryanthe austoben und die arme Frau (fast) ausziehen und beinahe lynchen. Und als die Arme im Finale dann wirklich hinübergeht und sich herausstellt, dass sie doch immer eine treue Seele und nur das Opfer einer Intrige, die ein böses Paar angezettelt hatte, war, ja dann wird die Böse umgebracht und die Gute …Siehe oben: „Nur eine tote Geliebte….
Ich will ja nicht sagen, dass es abwegig sei, ein altes Stück, das von edlen und bösen Rittern nebst edlen und bösen Fräulein handelt, zu aktualisieren und dass es sich nicht anbiete, dieses Stück auf seinen Kern, den tödlichen Machismus mit seinen Sex- und Allmachtfantasien, zu reduzieren und das Ganze mit Klischees aus dem Reservoir der Romantik aufzulockern. Wenn dies die Grundkonzeption der Regie war, dann hat sie diese wohl angemessen umgesetzt. Und das war’s dann.
Ein trister Sonntagnachmittag in der Frankfurter Oper – den am nächsten Abend eine höchst brillante konzertante Aufführung einer selten gespielten Strauss Oper – Die ägyptische Helena – vergessen ließ.
Wir sahen die Aufführung am 3. Mai 2015, die 8. Vorstellung in dieser Inszenierung. Die Premiere war 5. April 2015.