Geschichten vom Herrn Mandryka. Arabella an der Semperoper

Eine recht seltsame Veranstaltung war da am Montagabend im Rahmen der Dresdner „Richard-Strauss-Tage“ 2014 zu erleben. Ein ausverkauftes Haus, die Kohorten der internationalen Luxus-Rentner im Parkett und im Rang, ein (wie nicht anders zu erwarten) begeistertes Publikum, das kritiklos alle Mitwirkenden feiert, der  bekannte Dresdner Stardirigent am Pult, eine Regie, die den Zuschauer nicht im geringsten fordert, zwei ‚Weltstars‘ der Opernszene als Protagonisten. Und – man mag es kaum glauben –in den ersten beiden Aufzügen pure Langeweile. Die Musik plätschert halt so dahin – uninspiriert und desinteressiert. Wollte uns der berühmte Maestro hören lassen, dass der späte Strauss in der Arabella wohl doch nur der Epigone seiner selbst sei? Erst im dritten Aufzug da dreht die Musik auf. Da erklingt endlich die glitzernde oder, wenn man so will, die kitschige Strauss-Musik, die so fasziniert und einlullt. Da wird dann endlich „lyrische Komödie“ gesungen und gespielt.

Pure Langeweile in den ersten beiden Akten  – mit Ausnahme der Szenen, in denen Mandryka (in der Person des Thomas Hampson ) auftritt. Ein Sänger und Darsteller, der mit seiner Bühnenpräsens und seiner machtvollen Stimme alle anderen Mitwirkenden geradezu an die Wand singt und spielt und dabei auch die so berühmte Sopranistin recht blass aussehen lässt. Natürlich bezaubert Anja Harteros noch immer mit ihrer so wunderschönen Stimme, ist  sie noch immer eine Strauss-Sängerin par excellence. Doch wenn das Regieteam  sie zur sentimentalen Zicke macht, die von Kindheit an auf den bärenstarken Mann, auf den „Richtigen“ wartet, sie  noch dazu in eine so ärmlich wie uncharmant  wirkende hellblaue Abendrobe steckt, dann hat sie es gegen einen so übermächtig wirkenden Hampson zusätzlich schwer. Von der Regie darf sie keine Hilfe erhoffen. Die lässt der Einfachheit halber meist von der Rampe singen  und begnügt sich mit Mätzchen. Nur zwei  Beispiele: damit wir auch alle im Publikum mitkriegen, wie Arabellas Traummann beschaffen ist, dürfen wir einen Blick ins Kinderzimmer werfen: dort spielt Arabella als Kind nicht etwa mit einem Teddybär, sondern hockt vor einem riesigen  Bären. Nicht genug damit. Damit  auch die gänzlich Unbedarften im Publikum merken, dass Mandryka  der Arabella den Himmel auf Erden bereiten will, tritt zur ersten Begegnung des Paares ein Double auf, fährt mit dem Fahrstuhl auf halbe Höhe, mimt dort ein Liebespaar oder, wenn man so will, ein heiliges Paar in himmlischen Höhen. Ja, wir wissen noch aus den Wiener Operetten: die Liebe ist eine Himmelsmacht.  War das nun Ironie oder Parodie? Ich fürchte, es war ernst gemeint.

Was soll man da noch mehr sagen? Dass die als Jüngling verkleidete Zdenka so hübsch androgyn ist und auch noch brillant zu singen weiß, dass das Leutnant Matteo auch nach der kurzen Liebesnacht mit der Zdenka nicht weiß, ob er hetero oder vielleicht doch schwul ist und deswegen schmollend in der Ecke stehen muss, dass der spielsüchtige Papa  nebst Gräfin und Kartenaufschlägerin für diesen Abend freien Ausgang aus dem Sängeraltenheim bekommen haben, dass der Besetzungszettel den Librettisten Hofmannsthal unterschlägt, dass es Programme schon eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn nicht mehr gib? Oder soll man noch hinzufügen, dass zwei Weltstars zwar einen lukullischen Abend bereiten können. Aber Musiktheater ist das nicht. „Allein was tut’s“.  Ich hab‘ Euch singen gehört. Und es war grandios. Vergessen wir den Rest.

Wir sahen die Vorstellung am 10. November, die zweite Aufführung seit der Premiere am 7. November 2014.