Ästhetizismus pur. Eine anspruchslos schöne Le Nozze di Figaro Inszenierung an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf

Kein Zweifel: ein wunderschöner Opernabend, schön gesungen, schön musiziert, schöne, ob weiblich ob männlich, Sängerdarsteller auf der Bühne, ein schönes Dekor, schöne Kostüme, alles wunderschön.

Und doch? Das war Musiktheater aus der ‚Welt von Gestern‘. Beim Düsseldorfer Figaro hatte noch einmal ein einst zu Recht hochberühmter Theatermann die Ehre, seine ‚Kunstfertigkeiten zu produzieren‘, Kunstfertigkeiten, mit denen er vor Jahrzehnten an der Kölner Oper – und nicht nur dort – zu brillieren wusste und die doch heute so hoffnungslos antiquiert und obsolet erscheinen.

Da bewegen sich nun schöne, elegant gekleidete Bühnenfiguren in einem andalusischen Dekor. Der Conte Alamaviva nennt wohl einen klassischen Parador sein eigen. Und die Landmädchen sind so kostümiert, als wollten sie geradewegs zur Feria nach Sevilla aufbrechen. Gespielte Zeit ist ein unbestimmtes 19. Jahrhundert, als die Latifundien-Besitzer noch alle Macht besaßen. Zwar sind die Untergebenen schon mal ein bisschen aufmüpfig, ohne indes die Herrschaften je in Gefahr zu bringen. Um “Klassenkampf“, wie man uns im Programmheft weismachen will, geht es in dieser so kreuzbraven Inszenierung gar nicht und bei Mozart und Da Ponte erst recht nicht. In dieser Inszenierung geht es um gar nichts. Wie seltsam, dass dem einst so berühmten Theatermacher so gänzlich entgangen ist, dass es bei Mozart und Da Ponte zwar um einen Kampf geht, aber nicht um einen Klassenkampf, sondern um einen Streit der Liebesdiskurse, um Amour de Galanterie und um Amour de Passion. Susanna und die Contessa siegen in diesem Wettstreit der Diskurse, nicht weil sie die besseren Intriganten sind, sondern weil sie den neuen Diskurs der ‚Liebe als Passion‘ beherrschen und ihnen noch dazu die Liebe als Galanterie nicht gänzlich fern liegt. Der Conte, der nur die alte Galanterie, den seinem Stand angemessenen Liebesdiskurs beherrscht, hat in diesem Spiel mit der Liebe  von vornherein keine Chancen. Und Figaro, der doch bei Beaumarchais angeblich ein Revolutionär avant la lettre war? Aus ihm haben Da Ponte und Mozart im ersten Akt einen Einfallspinsel, im zweiten Akt einen Komödianten und im dritten Akt einen eifersüchtigen Trottel gemacht. Der einzige Liebesdiskurs, mit dem er zurechtkommt, das ist der Eifersuchtsdiskurs. Mit diesem Diskurs wird er es bei Susanna nicht weit bringen. Sie wird sich bald der Liebe als Passion und nicht minder der Liebe als Galanterie erinnern und zumindest mit dem letzteren  Diskurs wird der arme Figaro nicht zurechtkommen. Das Ende der scheinbar so glücklichen Beziehung ist schon vorprogrammiert.

Von all dem will die Regie nichts wissen. Warum sollte sie auch solche latenten Bedeutungen des Stücks aufdecken wollen. Sie gefällt sich selbstgefällig, narzisstisch im ideologiefreien  Ästhetizismus. Und warum auch nicht.  Sie hat mit dieser Konzeption ihrem Publikum einen wunderschönen Abend bereitet, einen Opernabend des unbeschwerten Genusses. „Back to the roots“ flüsterte der ältere Herr in der Reihe hinter mir seiner Begleiterin zu und dachte dabei wohl an die so schönen Inszenierungen eines Ponnellle und auch eines Intendanten Hampe im Köln der 70er und 80er Jahre. „Jedes Ding hat seine Zeit“.

Wir sahen die Aufführung am 15. Februar 2014. Die Premiere war am 1. Februar 2014.

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