So viele Male hat man Das Rheingold schon gehört. Man meint, es zu kennen, man glaubt, der Sound sei einem vertraut. In Nürnberg spielt die „Staatsphilharmonie“ unter Maestro Bosch einen eher fremden Wagner: zurückgenommene, doch nicht schleppende Tempi. Nichts von einem rauschhaften Klangteppich, nichts von „sattem Klang“. Dafür differenzierte Orchesterstimmen, eine stete „Balance zwischen Streichern und Bläsern“. Kein Auftrumpfen des Orchesters, kein Zudecken der Sänger. Dafür sanftes Piano, das den Sängern allen Raum zur Entfaltung lässt.
Ich bin weder Musiker noch Musikkritiker, und die Feuilleton-Lyrik liegt mir gänzlich fern. Ich bin nur eine simple Opernbesucherin, die in den letzten Jahren viel Wagner gehört hat – und die eigentlich den rauschaften Wagner mag. Maestro Bosch hat mich in Nürnberg auf den sanften, den transparenten Wagner eingestimmt und sein Publikum – im Programmheft – auf einen Wagner-Sound vorbereitet, der Mendelsohn nahe kommt: „ Ich glaube, dass für Wagner der Einfluss Felix Mendelsohn Bartholdys, der wie kein andere für Transparenz und Leichtigkeit steht, viel prägender war, als Wagner es je zugegeben hat“ (S. 38). So steht denn in Nürnberg das Orchester im Zentrum des Interesses – noch vor den Sängern, einem durchweg brillanten Ensemble von Sängerdarstellern.
Und die Inszenierung? Dazu gibt es nichts Besonderes zu sagen. Die konventionelle Melange aus Sex and Crime and Violence. Dazu ein paar Prisen Umweltverschmutzung, Endzeitstimmung, gewaltsame Aktualisierungen mit Märchentheatereinlagen: die Erscheinung der großen Mutter Erda, die Gold beschmierten halbnackten Arbeitssklaven in Alberichs Unterwelt, die Riesenschlange usw. Immerhin haben Regie und Bühnenbildner den Rheintöchtern ein Schwimmbad zum Verlustieren zugebilligt und Wotan und Gattin eine Couch zum ehelichen Morgensex. Dass die Götter schon am „Vorabend“ ihrer Götterdämmerung nahe kommen, dass sie allesamt kaputte Typen sind: der abgetakelte Macho Wotan, der schwule Donner, der infantile Froh, dass die Zukunft dem gewalttätigen, ständig Prügel austeilenden ‚Kapitalisten‘ Alberich gehört, all das sind Bruchstücke, die man schon viele Male gesehen hat, ohne dass sie sich indes wie zum Beispiel in Tilman Knabes Essener Rheingold zu einem Ganzen zusammenfügen. Wie dem auch sei. Der Nürnberger Ring ist ja erst beim Vorabend. Vielleicht fällt der Regie bei der Walküre, die noch in dieser Spielzeit ins Programm kommen soll, eine schlüssige und überzeugende Grundkonzeption ein.
Im Staatstheater Nürnberg ist, was den ungewöhnlichen Wagnerklang angeht, ein großer Opernabend zu erleben. Wir sahen die Vorstellung am 5. Dezember, die zweite Aufführung nach der Premiere am 30. November 2013.