Ich weiß nicht, welch böser Geist uns dazu getrieben hat, nach Hanekes so subtiler Così fan tutte uns diese so verstaubte La Gioconda anzutun. Wenn man schon kein Verdi-Fan ist, dann ist Ponchielli erst recht schwer erträglich. Ein befreundeter Musiker hatte mich noch vor einem „Verdi degenerato“ gewarnt. Aber ich war halt neugierig, hatte ich La Gioconda doch noch nie gehört, geschweige denn auf der Bühne gesehen.
So haben wir denn vier Stunden Verdi-Verschnitt ertragen, renommierte Sänger gehört, ein Spitzenballett in Aktion gesehen, das nicht nur beim berühmten Tanz der Stunden, sondern als ungefragte Zugabe auch noch zu einer Polka von Johann Strauß seine Künste zeigte – und auf der Vorderbühne lag währenddessen die scheinbar vergiftete, aber dank der Intervention der selbstlosen La Gioconda doch nur narkotisierte untreue Laura auf einem Mehrzweck – Sarkophag im Todesschlaf.
Ja, wir wissen schon, das Libretto ist eine Bearbeitung eines romantischen Dramas von Victor Hugo, dem Meister der großen Gesten und der hohlen Phrasen, dem Propagandisten der Ästhetik der Verbindung und Überschneidung des Sublimen und des Grotesken. Und von all dem war in Fülle zu hören und zu sehen.
Das Produktionsteam hat sich wohl der Tradition der romantischen Ästhetik und der Spektakel der Grand Opéra erinnert und im Geiste dieser Traditionen ein höchst pompöses Ausstattungstheater ausgerichtet – in einem Decorum, das ein Venedig des 17. Jahrhunderts nachstellt. Und so fehlen nicht die Gondolieri und die Gondeln, die über unsichtbare Kanäle dahin gleiten, die Brücken und die herrschaftlichen Paläste, die überdimensionierte Freitreppe, die der Inquisitor im roten Festgewande herab schreitet, um der in unschuldiges Weiss gekleideten Laura den Todestrank zu reichen. Da balgen sich die Matrosen, da brennen die Segel, da will das aufgehetzte Volk die blinde Bettlerin lynchen, da schwänzelt der schwarz gewandte Intrigant und Lustmolch als Mephisto herum, da entzieht sich diesem die edelmütige La Gioconda durchSelbstmord – mit einem schnellen Dolchstoß mitten ins Herz hinein, nachdem sie als Gutmensch avant la lettre den Geliebten der Rivalin überlassen hatte. Da kriegt nun dieser blasse Enzo die Laura, die just in dem Augenblick aus der Narkose erwacht, als Enzo La Gioconda meucheln will ….
Große Gefühle, große Gesten, zuckrig-bombastische Musik. Eine Orgie von Kitsch. Verstaubtheit allerorten. Alles so wie man Oper nicht mehr machen sollte. Allgemeine Begeisterung im Publikum – besonders bei der Johann Strauß Einlage.
Wir sahen die Aufführung am 31. Mai 2013, die achte Vorstellung der Co-Produktion mit Madrid, Barcelona und Verona.