Ferragosto am Lido. Damiano Michieletto inszeniert L’Elisir d’Amore als Parodie auf den italienischen Sommer am Meer

Vielleicht muss man wirklich ein italienischer Theatermacher sein, um eine solch spaßige, witzige und noch dazu in keinem Augenblick böse oder gar bösartige  Parodie  auf den italienischen Familienurlaub am Mittelmeer in Szene setzen zu können, wie sie jetzt in Graz zu sehen ist. Da dösen die Großväter auf der Liege und lassen ihre dicken Bäuche in der Sonne braten, da springen und stolpern in all dem Gedränge die Bambini herum, da präsentieren sich die braven Mütter und Hausfrauen, die Sonnenbrille dekorativ im Haar, in Miniröcken, da spielen die Männer Karten und die am Testosteron-Überschuss leidenden Ragazzi gehen auf die Balz, da ist der Tölpel  Nemorino der Beach Boy, der  Müll und Luftmatratzen einsammeln muss und die schöne und schnippische Adina anhimmelt. Adina, die gut betuchte Besitzerin der Strandbar, die  es gar nicht nötig hat zu kellnern (das besorgt für sie Giannetta, die kleine Nymphomanin). Adina lacht, flirtet, liest (natürlich am Laptop) und macht sich über ihren Beach Boy lustig. Belcore im Aufzug des Capitano eines Kreuzfahrtschiffes ist die Karikatur eines Macho und Don Giovanni und noch dazu die Parodie des unseligen Capitano, der das bekannte Kreuzfahrtschiff auf den Felsen gesetzt hat (spätestens im Finale kriegen wir das alle mit, wenn die Polizei ihn abführt). Dulcamara und seine langbeinigen Hostessen sind wohl auf einer Werbetournee für ein bekanntes österreichisches Aufputschgetränk. Bei all dem legt die Regie ein rasantes Tempo vor, stürzt gleichsam von Gag zu Gag und schreckt auch nicht vor Slapstick Einlagen zurück. Da wird der arme Nemorino in voller Montur unter die Dusche gesteckt, und zur Rache stülpt er einem Rivalen den Mülleimer auf den Kopf und spritzt (Achtung Symbolik!) mit dem Wasserschlauch herum. Zur Strandparty im zweiten Akt rutschen alle Akteure in ein riesiges Schaumbad und tauchen als „Schaumgeborene“ wieder auf. Der unselige Capitano ist sturzbetrunken, Wunderdoktor Dulcamara ist zum Transvestiten  mutiert, ja und der Tölpel kriegt die Prinzessin, weil er halt so schön vom Dach der Bar herab „Una furtiva lacrima“ säuselt, und Adina (wer kann schon einem Tenor widerstehen) ist gerührt und wir alle mit ihr. L’Elisir d’Amore in Graz ist ein einziger großer Spaß.

Ehe ich es vergesse: schön gesungen (wir sind halt in einer Belcanto-Oper) und schön musiziert wurde auch. Doch die umtriebige Szene, das große Spektakel erschlägt geradezu die Musik. Prima la messa in scena, prima lo spettacolo e poi la musica. Donizetti und seine Belcanto Fans werden es verschmerzen. Signor Michieletto ist  halt ein grandioser Theatermacher. Da kann die musica schon mal auf der Strecke bleiben. Seltsam nur, dass ein guter Teil des biederen Publikums mit der Parodie so wenig anzufangen wusste und das ganze Spektakel wohl für eine Reality Show vom letzten Sommerurlaub genommen hat.

Wir sahen die Aufführung am 13. April 2013, die 15. Vorstellung dieser Inszenierung. Die Premiere war am 17. November 2012.