Trash oder Satire mit Märchentheatereinlagen? Parsifal am Aalto- Musiktheater in Essen

Dass man den Parsifal auch billig aktualisieren kann, ihn auf der Intensivstation eines heutigen Hospitals beginnen und ihn unter Pennern auf der Müllhalde enden lassen kann, dies erfuhren wir im Aalto-Musiktheater in Essen. Bot der Kölner Parsifal ein faszinierendes und anspruchsvolles Spektakel,  bietet der Essener Parsifal einen tristen und langweiligen Abend. Es sei denn, man begreift die Inszenierung  als Satire mit Märchentheatereinlagen. Die Intensivstation ist eine Art Slapstick Krankenhaus, in dem der Patient Amfortas immer wieder aus dem Bett fällt und von den herbei stürzenden Pflegern  wieder gewaschen und verbunden und neu ins Bett gesteckt wird und wo der Chefarzt nebst Gefolge bedeutsam dreinschaut. In der Lounge   des Hospitals lümmelt  sich ein gelangweilter Gurnemanz, dessen Geschichten die Internatsschüler (bei Wagner die Knappen) als Einschlafmittel genießen. Kundry – und jetzt kommt das Märchenmotiv – tritt gleich in doppelter Gestalt auf – ein Regieeinfall, der der Sängerin der Kundry im zweiten Akt erhebliche Entlastung bringt, übernimmt doch die Zweit-Kundry das non-verbale Verführungstheater. Das liturgische Geländespiel im Finale des ersten Akts  fällt  für den Zuschauer aus. Das Geschehen ereignet sich – für ihn unsichtbar – im geschlossenen Krankenhaus-Container, ein Konklave ganz besonderer Art, das dem Regisseur erhebliche  Entlastung bringt. Und die Müllhalde? Dorthin hat man wohl für den dritten Akt die Intensivstation entsorgt. Gurnemanz kriecht unter einer Matratze hervor. Ein paar  als Clochards verkleidete Statisten   treiben sich als Lumpensammler herum .Der Chor der Gralsritter singt aus dem Off. Nein, nicht immer: im Finale sind sie allesamt auf der Vorderbühne versammelt, nehmen einer kleinen Person das Lumpenkostüm ab. Welch Wunder, ein Knabe kommt unter den Lumpen hervor und hat eine Leuchtkugel in der Hand. „Enthülle den Gral“. Hätten sie ihn doch lieber verhüllt gelassen. Was unser blonder Parsifal mit seiner Lanze auf der Müllhalde eigentlich soll, das wissen wir noch aus anderen Inszenierungen.

Doch seien wir nicht so streng mit dem Essener Parsifal. Mag die Inszenierung auch keine Großtat sein. Immerhin belegen auch Inszenierungen dieser Art wieder einmal die alte These, dass Wagners Parsifal ein ‚offenes Kunstwerk‘ ist, das zu den unterschiedlichsten Deutungen – auch den eher abwegigen – einlädt.

Ein verlorener Abend, ja wenn die Essener Philharmoniker unter Maestro Soltesz nicht in gewohnter Brillanz musiziert, wenn auf der Bühne nicht durchweg herausragende Sängerdarsteller agiert hätten. Schade nur, dass die berühmte Wagnersängerin, die wir zuletzt in München gehört hatten, an diesem Abend, so schien es mir, nicht  in jeder Szene in Hochform war.

Wir sahen die Aufführung am 7. April 2013. Die Premiere war am 17. März 2013.