Dieses Mal lädt die Pariser Oper ihr Publikum nicht ins Opernmuseum ein. Dieses Mal will man ganz hoch hinaus und hat eine Produktion eingekauft, die im Jahre 2007 am Covent Garden herauskam und inzwischen an der Metropolitan Opera und an der Wiener Staatsoper zu sehen war. Mit Natalie Dessay und Juan Diego Florez hat man die beiden Stars der Aufführungen gleich mit engagiert: Dessay in der Rolle der Regimentstochter Marie und Florez als der verliebte Tiroler Bub Tonio, der der Marie zu Liebe zu den Soldaten geht, es ganz schnell zum Leutnant bei den Franzosen bringt und mit militärischer Hilfe auch seine Marie kriegt. Bei solch einer Besetzung und bei solch heldenhaftem Einsatz französischer Truppen, bei solch einem in den großen Häusern herumgereichten Dekor aus Pappmaché Landkarten aus der Zeit der „Grande Armée“, da kann nichts schief gehen. Und es geht auch nichts schief. Natalie Dessay singt und spielt das burschikose, trotzköpfige Mägdelein, das sich bei den Militärs wohl fühlt und sich mit den abgetakelten adelsstolzen alten Leuten aus dem Ancien Régime so gar nicht anfreunden will, mit solcher Bravour und solcher Spielleidenschaft, dass der schöne Toni, wenngleich er natürlich zur Begeisterung des Hauses seine Arien und Romanzen mit gewohnter Brillanz vorträgt, mitunter recht blass aussieht. Dafür darf er dann auch im Finale auf einem kleinen Panzer stehend vorfahren und mit seiner Truppe die alten Adligen – aufgescheuchte Hühner allesamt – in die Flucht schlagen. Mit von der Partie ist immer Sergeant Sulpice (in der Person des Baritons Alessandro Corbelli), dem Regie und Ausstatter ein Stan Laurel Outfit aus dem Fremdenlegionär-Film verpasst haben – wohl mit einem augenzwinkernden Hinweis darauf, dass es zur Militärklamotte nicht weit ist. Ein unnötiger, ein überdeterminierter Hinweis auf die Regiekonzeption. Wir alle im Publikum haben gleich beim ersten Auftritt der die Unterhosen der Helden bügelnden Marie und des sich stets mit Branntwein stärkenden Sergeanten verstanden, dass Donizettis Regimentstochter als Persiflage des angeblich so lustigen Soldatentums, als Parodie auf alles Militärische gemeint ist. Selbst der im Finale so schneidig auftretende Toni ist nur ein Operettenleutnant, der gerade aus einer Probe zu einer Wiener Operette herüber gelaufen sein könnte. Und die Soldaten, wenngleich sie – so signalisieren es ihre Uniformen und Helme – wohl bald in den ersten Weltkrieg ziehen werden, sind doch alle nur Spielzeugfiguren, so martialisch und trinkfest sie sich auch geben.
Für eine Belcanto Oper, so konnten wir schon so oft konstatieren, braucht man eigentlich nur zwei, wenn möglich drei brillante Sänger, und Inszenierung und Ausstattung sind nur eine quantité négligeable. In der Pariser Regimentstochter war man ehrgeiziger. Hier gelingt zu Musik und Gesang eine höchst amüsante, oft witzige Inszenierung, zu der nicht zuletzt die neu geschriebenen Dialoge beitragen. Ja, und wenn dann im Finale zum scheinbar so martialischen „Salut à la France“ auch noch der gallische Hahn kräht, dann sind wir beinahe in der Selbstparodie französischer ‚Gloire‘.
Ein ausverkauftes Haus, ein begeistertes Publikum, ein großer Erfolg für die Bastille Oper. Wir sahen am 21. Oktober 2012 die dritte Vorstellung der laufenden Serie. La Fille du Régiment steht noch bis zum 11. November auf dem Spielplan.