Die Opernproduktionen der Bayerischen Theaterakademie und der Münchner Hochschule für Musik und Theater sind ein Geheimtipp für Opernfans in München. Nein, besser: sie waren ein Geheimtipp, denn wie schon bei Le Nozze di Figaro ist auch jetzt bei der Finta das Prinzregententheater ausverkauft – und dies zu Recht. Zu bewundern gibt es eine geistreiche, witzige Inszenierung, prachtvolle Rokokokostüme, ein Ensemble hochbegabter junger Künstler, die, wenngleich sie sich noch im Studium befinden, bereits jetzt so brillant zu singen und zu agieren wissen, dass man sie sich unschwer bald auf den großen Bühnen vorstellen kann.
La Finta Giardiniera habe ich in den letzten Jahren in höchst anspruchsvollen Aufführungen in Zürich und im Theater an der Wien gesehen. Es mag ja sein, dass die Dilettantin ein wenig übertreibt oder dass es ihr an Urteilskraft mangelt. Doch ihr scheint, dass die Finta Giardiniera, die im Prinzregententheater zu hören und zu sehen war, sich durchaus mit Aufführungen an großen Häusern messen kann. Wie dem auch sei. Mögen die Feuilletonkritiker ruhig an den Leistungen der Sänger herummäkeln. Mir haben sie alle gefallen (vielleicht mit der Einschränkung, dass die Damen die Herren ausgestochen haben).
Die Regie, die das Geschehen in die Entstehungszeit der Oper, also in die späte Rokoko Zeit verlegt, begreift die Handlung als Albtraum, vielleicht auch als Sommernachtstraum einer noch immer verstörten Protagonistin. Auslöser für diesen Albtraum, für ein Verwirrspiel der Gefühle, das neben Sandrina/Violante alle Personen erfasst, ist eine Marionettentheater Aufführung im Garten des Podestà, die das Trauma der Protagonistin in Szene setzt: den Mordanschlag, den der eifersüchtige Geliebte gegen sie versucht. Eine Heilung von diesem Trauma gibt es nicht. Alle Versöhnung erweist sich nur als Schein und Wahn: im Finale wiederholt sich die Marionettentheaterszene. Eine zirkuläre Konstellation, eine gleichsam das Tragische streifende Rahmenerzählung, die eine Binnenerzählung als nur erträumte Komödie der Irrungen und Wirrungen erlaubt, eine Komödie, in der alles möglich ist und die mit unmarkierten Verweisen auf den Sommernachtstraum Platz für allerlei Schabernack bietet. Da mischen sich die scheinbaren Marionetten (zwei „kleinwüchsige Darsteller“) als Putten, als lebendig gewordene Statuen, als Eros Knaben oder auch schon mal als verdoppelter Puck aus dem Sommernachtstraum ins Geschehen und sorgen für Schreck und Verwirrung. Da wälzt sich der vom Liebeswahn befallene Jüngling Ramiro ständig auf dem Boden, da tänzelt die Möchtegernbraut Arminda als Rokokopüppchen herum, da schwebt Belfiore in einer Montgolfiere vom Bühnenhimmel herab, da fährt der Podestà in einem Elektrowägelchen mit Kerzenbeleuchtung herum, da verwechseln im Liebesspiel die Liebespaare die Partner, da gibt es eine Sonnenfinsternis – und da gibt es leider ein bisschen zu viel Klamauk. Unnötigen, von der Musik nicht gerechtfertigten Klamauk, der, so amüsant er auch ist, von Mozarts so schöner Musik nur ablenkt. Desungeachtet: ein allemal lohnenswerter Opernabend im Prinzregententheater.
Wir sahen die Aufführung am 20. November 2011. Die Premiere war am 10. November 2011.