Der Kaiser ist versteinert. Eine Wiederaufnahme von La Clemenza di Tito im Palais Garnier

Der Kaiser ist versteinert. Eine Wiederaufnahme  von La Clemenza di Tito im Palais Garnier

Mit der opera seria tun sich unsere Theatermacher bekanntlich sehr schwer. Wie soll man auch einem heutigen Publikum, das von den Zwängen der Gattung: dem Reigen der Liebesdiskurse, dem Freundschaftsthema, der Kontrolle der Affekte, der Huldigung des aufgeklärten Herrschers, dem obligatorischen lieto fine, kaum noch etwas weiß, eine opera seria verständlich machen. Willy Decker, dessen Clemenza vom Jahre 1997 es  in Paris immerhin auf 33 Aufführungen gebracht hat, macht den Kaiser Titus nicht zum Einfallspinsel und Autisten, wie es so manch anderer Regisseur gern tut. Sein Titus stilisiert sich zum eigenen Denkmal, zur eigenen monumentalen Statue. War diese Statue zu Beginn noch unfertig und  verhüllt, so wächst sie im Laufe des Geschehens immer mehr aus dem Stein, und im Finale sinkt Titus vor seiner eigenen Statue erschreckt zu Boden. Aus dem Menschen Titus, der der Liebe wie der Freundschaft fähig war und sich nach beiden vergeblich sehnte, ist unter den Zwängen der Staatsräson und des hohen Anspruchs an sich selber, eine Statue, ein Denkmal geworden. Eine Konzeption, die durchaus einsichtig ist, doch die  das Stück  wohl nicht ganz trägt, zumal Musik, Libretto und auch die Regie nicht die Figur des Tito, sondern die des zerquälten Sesto in den Mittelpunkt stellen. Doch wir wollen nicht an einer bald fünfzehn Jahre alten Inszenierung herummäkeln. Begnügen wir uns damit zu sagen, dass unter Leitung  eines Routiniers wie Adam Fischer durchweg schön gesungen und musiziert wurde – manchmal vielleicht ein bisschen langweilig – und dass der Zwischenvorhang, auf dem im Chagall Stil Personen und Handlung gleichsam als konzentrierte Duplikation dargestellt waren, wohl als einziges  von diesem Abend in Erinnerung bleibt. Wir sahen die Aufführung am 8. Oktober. Es war die „Dernière“.