Gestern, zum Finale der jährlichen Opernfestspiele, die traditionsgemäß mit einem großen Wagner Spektakel enden, hatte man statt der so dürftigen einfallslosen Meistersinger, die der geduldige Wagnerianer in den letzten Jahren erleiden musste, David Aldens Tannhäuser noch einmal ausgegraben. (im Theaterdeutsch: „Neueinstudierung nach einer Inszenierung von David Alden“). Ich hatte die Inszenierung vor mehr als fünf Jahren schon einmal gesehen – und damals hatte mich die Aufführung fasziniert. Und heute – lässt sie mich eher kalt. Vielleicht weil ich vor ein paar Wochen Claus Guths Wiener Tannhäuser gesehen habe? Vielleicht weil die Konzeption und ihre Mittel nach den vielen Jahren ein bisschen obsolet wirken? Der Metatheatertrick (ein in einen langen weiten Mantel gekleideter Literat Tannhäuser schleicht mit einem Koffer voller Manuskripte durch ein zerbrochnes Walhall und erlebt seine Geschichte noch einmal als Vision) kommt einem inzwischen etwas altbacken vor. Natürlich ist es noch immer spektakulär, wenn der Venusberg eine Art Hieronymus Bosch Inferno ist, in dem sich abgetakelte Wagner Figuren tummeln, wenn die Wartburgsänger als Lemuren aus deutscher Geschichte von Luther bis zu den Braunen auftreten und der Landgraf in seiner Kostümierung an Luther oder Melanchthon erinnert, Wolfram als Biedermeierfigur erscheint und die Venus als Zitat aus einem Rita Hayworth Film. Doch irgendwo und irgendwie hat man das alles schon einmal gesehen, und man nimmt das alles als postmodernes Zitaten Kabinett und amüsiert sich. Keine Frage, dass in allen Rollen brillant gesungen wurde und dass Sänger wie Christian Gerhaher als Wolfram und Peter Seiffert in der Titelrolle, der eine als verklemmter Intellektueller, der es doch lieber mit dem ungefährlichen ‚diskursiven Begehren’ hält und der anderer als kraftstrotzender Literat, der zwar ständig seine Manuskripte mit sich herumträgt, aber der Literatur allemal die handfeste Lust vorzieht, keine Frage, dass solch brillante Sängerdarsteller, die sich noch dazu selbstironisch zurückzunehmen wissen, die Aufführung tragen und zu Recht gefeiert werden. Doch was da aus dem Orchestergraben tönte, verdiente das wirklich so stürmischen Beifall? Ich weiß nicht. Ich bin keine Musikerin, nur eine Dilettantin, die in den letzten Jahren vielleicht ein bisschen zu viel Wagner gehört hat, und verbiete mir jegliche Kritik an der Interpretation. Ich sage nur in aller Laienhaftigkeit und zitiere dazu meine Freundin Ariadne, die keine Scheu vor befrackten Pultgöttern hat: „Warum will der Tannhäuser eigentlich zur Frau Venus zurück? Von der glitzernden Erotik, von dem angeblich Lasziven, das die Venusbergmusik auszeichnen soll, da war doch kaum etwas zu hören. Von der religiösen Gegenmacht eigentlich auch Nichts. Es war weder das Eine noch das Andere, weder Fisch noch Fleisch, weder Lust noch Askese. Ein sanfter, neutraler, entscheidungsloser Wagner war an diesem Abend in München zu hören. Eine zweifellos noble Interpretation. Doch der rauschhafte, meinetwegen der kitschige Wagner ist mir allemal lieber“. Sei’s drum. Ein festlich gekleidetes Publikum feierte begeistert den Maestro und alle Mitwirkenden und sich selber – frei nach Goethe: „Und Ihr könnt sagen. Ihr seid dabei gewesen“. In München friert Venus. Wir sahen die Vorstellung am 31. Juli 2010.