„Ein Märchen aus uralten Zeiten…“. Lohengrin an der Deutschen Oper Berlin

Im Opernhaus auf der Bismarckstrasse hat man Wagnerfestwochen ausgerufen. Und alle, alle kamen. Nietzsches nervenschwache Jünglinge –„erstarrt, blass, atemlos“ – , die Zombies aus unseliger deutscher Zeit, die ewig schwatzenden lustigen Witwen – Wagner „ist verhängnisvoll für das Weib“, die sportlichen, bürgerlichen Habitus verachtenden Pseudointellektuellen, mit einem Wort:  „die Wagnerianer: das versteht nichts von Musik – und trotzdem wird Wagner über sie Herr…“.  Die Deutsche Oper Berlin feiert Wagnerwochen, eine willkommene Gelegenheit, eine angestaubte Inszenierung aus dem Jahre 1990 noch einmal aus der Mottenkiste zu holen, ein Spektakel, das ein einstens berühmter und mächtiger Theatermann erarbeitet hat. De mortuis nil sine bene. So sagen wir denn ohne alle Häme: es war eine klassische Inszenierung zu sehen, eine Beruhigungspille für die noch von Herheims Lohengrin Parodie in der Staatsoper schockierten Wagnerianer. Ganz anders als im Haus Unter den Linden versucht man sich  an der Bismarckstrasse erst gar nicht an einer Neuerzählung des Mythos. Hier ist alles so, wie es schon immer war: eine Bühne voller mittelalterlicher Krieger mit flachen Helmen und langen Spießen, Messdiener, Kommunionkinder, Kleriker in vorkonziliären liturgischen Gewändern, ein Bischoff mit Mitra, ein korpulenter König, den man seltsamerweise (vielleicht als Zugeständnis an die „Wendezeit“?) in eine ostdeutsche Offiziersuniform gesteckt hat, eine blond gelockte Elsa im weißen lange Kleide, die Hexe rothaarig und dunkel gekleidet, der böse Graf in schwarzem Leder. Und natürlich Lohengrin im silbernen Gewande. Nichts von beißender Ironie, nichts von böser Parodie, dafür ein Märchenspiel für kindlich gebliebene Erwachsene. Ja, und wenn der frustrierte Traummann, gestützt auf sein Schwert, seine Gralserzählung vorträgt, Elsa „entseelt“ zu Boden sinkt, die friesische Hexe den kleinen Prinzen zum Schlussakkord schon wieder einzufangen sucht, ja dann wir alle gerührt, ergriffen und begeistert, nicht ob des naiven Märchenspiels, das wir sahen, sondern ob der grandiosen Sänger, die man für diesen Abend engagiert hatte. Zwar sind sie allesamt nicht mehr die Jüngsten, und die drei Herren in den Hauptrollen agieren manchmal wie tapsige Bären. Allein tut’s. Brillant singen, das können sie alle noch. Unnötig zu sagen dass der Star des Abends Waltraud Meier hieß. In Gesang und Spiel übertrifft sie noch immer all ihre Mitspieler. Wir sahen die Vorstellung am 6. Februar 2010. Es war laut Programmheft die 54. Aufführung seit der Premiere am 23. 6. 1990.