Brangänes Komplott? Tristan und Isolde in der Staatsoper Stuttgart

Wenn man schon keine Karten für Bayreuth kriegt, um dort einen in die Jahre gekommenen Tristan zu hören und sehen, dann kann man es ja mit dem  ebenfalls fünf Jahre alten Tristan in Stuttgart probieren, der praktisch zeitgleich mit dem Bayreuther Tristan wiederaufgenommen  wurde. Vom Bayreuther Tristan – so liest man heute morgen im Feuilleton der Welt blieben außer ein paar „starken Bildern“ nur eine „spröde, statische Inszenierung“ sowie „Sänger-Athletentum“ in Erinnerung und alles sei „musikalisch einfach zu laut“ (Eckhard Fuhr). Laut ist der Stuttgarter Tristan kaum, sondern einfach nur “sehnsüchtig“. Sänger-Athleten standen nicht auf der Bühne, sondern – leider mit einer bedeutsamen Ausnahme – beeindruckend schön singende Sängerdarsteller. Bei aller Hochachtung vor den Leistungen der Sänger: im dritten Akt hatte ich wohl noch mehr Sehnsucht nach Isolde als der bedauernswerte Tristan. „Hoffentlich kommt bald Isolde. Sonst halte ich es hier nicht mehr aus“. Und endlich kam sie, sang sie (der Stuttgarter Wagner Star Schneider-Hofstetter), und sie sang so ergreifend und so schön Isoldes Liebestod, dass man alle Mängel der Aufführung vergaß. Besser geht es wohl auch in Bayreuth nicht. „Spröd“ und „statisch“  wie der Bayreuther und noch dazu düster und dunkel im Szenarium wie in den Kostümen ist auch der Stuttgarter Tristan. Ein Bühnenbild existiert praktisch nicht. Es sei denn, man nimmt ein schwarzes Tuch, vor dem Tristan im dritten Akt liegt, für eine Art Segel, den schwarzen Vorhang, vor dem im zweiten Akt agiert, nein besser: gestanden wird, für den Eingang zu einem Palast oder vielleicht auch zu einem Mausoleum. Im ersten Akt  steht auf der ansonsten leeren Bühne ein meterhoher Holzkasten, auf den in guter alter Brecht Manier Texte (Auszüge aus dem Libretto) projiziert werden und vor den sich ein todmüder Tristan, wenn er nicht gerade ein bisschen singen muss (agieren ist nicht gefragt) zum Schafen niederlegt. Der Schlaf – so heißt es irgendwo bei Shakespeare – „ist der Bruder des Todes“. Und damit sind wir ganz plakativ gleich von Anfang an beim Todesmotiv. Für die Werkzeuge des Todes ist Brangäne zuständig. Im ersten Akt steckt sie Isolde den Dolch zu, im zweiten Akt schmuggelt sie ihn dem Verräter Melot zu, und im dritten Akt steht sie am Grabe Tristans. Und immer tritt sie in einem roten Kleid auf. Das rote Kleid der Brangäne  ist (neben dem weißen Anzug, in dem König Marke erscheint) der einzige Farbfleck im ansonsten düster-schwarzen Szenarium. Eine simple Farbsymbolik? Ein unschuldiger Marke? (Weiß die Farbe der Unschuld?). Brangäne eine Liebes- und Todesgöttin (rot gleich Liebe, rot gleich Blut?). Warum nicht. Zumal die Geschichte von Tristan und Isolde, wie sie in Stuttgart erzählt wird, sich auch als die Geschichte eines Komplotts lesen ließe: das Komplott einer eifersüchtigen(?), einer lesbischen(?) jungen Frau, die das Objekt ihrer Begierde, Isolde, für sich bewahren  und  die sich den Rivalen Tristan vom Halse schaffen will. Auch dies wäre eine Variante, wohl eine etwas entlegene Variante des Tristan Mythos  – Wir sahen die Aufführung am 26. Juli. Es war laut Programmheft die 14. Vorstellung dieser Produktion. Die Premiere war am 4. Juli 2004.