Vendetta Hölle mit gefälligem Sound. Die Münchner Theater Akademie August Everding gräbt L’Ancêtre, eine ‚veristische‘ Oper von Camille Saint-Saens, aus.

Im Münchner Prinzregenten Theater steht eine absolute Rarität auf dem Programm: eine Saint-Saens Oper vom Jahre 1906, in der sich der Komponist, der sich durch seine Vorliebe für biblische und antike Mythen auszeichnet, auf das damals so modische Gebiet des ‚Verismus‘ begibt.

Die Musik klingt vertraut: ein bisschen Mascagni, ein bisschen Massenet und Puccini, ein bisschen Wagner, und auch der Saint-Saens von Samson et Dalila ist nicht so weit weg. Mit anderen Worten: ein leicht zugängliches Pasticcio – das meine ich gar nicht abwertend, ein Pasticcio allerdings, das schon erhebliche Anforderungen an alle Mitwirkenden stellt. So überrascht es nicht, dass die Theater Akademie für die Rolle der Protagonistin sich ein Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper ‚ausgeliehen‘ hat: Heike Krötzinger, die wir schon in so vielen Rollen im Münchner Nationaltheater erlebt haben. Dass eine so routinierte Sängerin und  Schauspielerin die Rolle der hasserfüllten, der die Sippe dominierenden Großmutter, die ‚Ahnin‘,in Stimme und Bühnenerscheinung souverän darzustellen wusste, das versteht sich von selber. Doch auch die jungen Sängerinnen und Sänger der Akademie und deren Gäste wissen durchaus mitzuhalten. Nennen wir stellvertretend für alle den  jetzt schon  im ‚italienischen Fach‘ beeindruckenden Tenor Thomas Kiechle in der Rolle des Tebaldo, der neben der Großmutter Nunciata zentralen Figur des Geschehens. Dass auch die jungen Künstler der Akademie, die größtenteils ihr Studium noch nicht abgeschlossen haben, aufhorchen lassen und begeistern, überrascht nicht. An der Theater Akademie trifft man halt die Stars von morgen. Und es ist immer ein Vergnügen, ihnen zuzuhören.

L’Ancêtre, die Ahnin , ist ein Stück, wie es den ‚Veristen‘ gefällt: zwei Familien, die sich seit Generation bekriegen, eine rachsüchtige Alte, die jeden Versuch, einer Versöhnung der Verfeindeten strikt ablehnt, mag sie im Kampf gegen die feindliche Sippe auch Enkel und Enkelin verlieren. Vendetta, Hass, Totschlag, Leidenschaft, Eifersucht, böse alte Weiber, sich aufopfernde junge Frauen usw. Eben der Stoff, aus dem die Opern der Veristen sind.

Theatermacherin Eva-Maria Höckmayr, die die Inszenierung verantwortet, verzichtet auf jegliches Lokalkolorit, lässt auf einer düster-leeren Bühne spielen, in Katakomben, wo die Leichen der Erschlagenen noch von der  Decke hängen, Tote noch auf dem Boden liegen und mit Gesten die Lebenden zur Rache auffordern. Ein Spielort, der, wenn man so will, Dantes Inferno evoziert,  ein hoffnungsloser Ort: „Lasciate ogni speranza, voi ch‘ entrate“. L’Ancêtre, eine Parabel für den ewigen Kreislauf von Gewalt und Rache – so mag die Regie die späte Oper von Camille Saint-Saens verstehen zu wollen.Eine in Szene und Musik höchst gelungene Aufführung.

Wir besuchten die Premiere am 20. März 2019. In diesem Monat gibt es noch drei weitere Vorstellungen. Der Opernfan sollte sich L’Ancêtre nicht entgehen lassen.