Serse oder die Wiederkehr von Liberace. Max Emanuel Cencic inszeniert Serse bei den Händel Festspielen in Karlsruhe und macht aus der Titelfigur einen Star der Unterhaltungsbranche

Man muss nicht unbedingt wissen, wer Liberace war, um an der Serse Soap Opera seinen Spaß zu haben. Doch noch größer wird der Spaß, wenn man in der Figur des Titelhelden den Pianisten, Entertainer, Fernsehstar Liberace wiedererkennt, der in den 70er Jahren in Amerika Furore machte. Eine Kultfigur, die Franco Fagioli in Stimme und Bühnenerscheinung, in Maske und Kostümen so grandios und zugleich so umwerfend komisch zu verkörpern weiß.

Fagioli, mag er sich zum Teil auch selber spielen, ist einfach Liberace, ein Liberace, der alles kann, alles besitzt, vom Erfolg verwöhnt ist und nur eines nicht kriegen kann: Romilda, die Freundin seines Bruders Arsamene. Liberace/Serse gerät über diesen Misserfolg, wegen dieser unerfüllten Gier, so sehr in Wut und Verzweiflung, dass er im Finale zum Kriminellen wird und in Handschellen abgeführt wird.

Diese finale Krimipointe tut der großen Show, die Cencic seinen Helden abziehen lässt, nicht den geringsten Abbruch. Auch sie gehört mit zum großen Spaß.

In der Inszenierung, für die Las Vegas als Spielort gewählt wurde, jagt ein Gag den anderen. Es geht gleich spektakulär los. Serse/Liberace, der in seiner Garderobe  gerade eben noch einen Quickie mit seiner Haushälterin/Freundin/Geliebten hingelegt hat, eilt im Glitzeranzug auf die Bühne der Las Vegas Show. In der Show sollen junge Talente vorgestellt werden – eine Gelegenheit für Romilda in der Person der Lauren Snouffer gleich ihre erste große Arie vorzutragen. Doch die allererste Arie – Ombra  mai fu – gebührt, ganz wie es das Libretto will,  Serse alias Franco Fagioli. Eine Showszene, in der sich der Sänger selber am Flügel begleitet und das Publikum zu Beifallsstürmen hinreißt.

Es ist einfach bewundernswert, wie Fagioli den ganzen langen Abend über bei all seinen Auftritten dieses hohe Niveau, diese Stimmakrobatik, diese schauspielerische Präsenz zu halten und noch zu steigern weiß. Er ist eben mit seiner“geläufigen Gurgel“ und seiner herausragenden komödiantischen Begabung ein Star des Musiktheaters.

Nicht nur Fagioli, mag er in der Karlsruher Las Vegas Show auch der ‚Superstar‘ sein, auch alle anderen Mitwirkenden sind Stars und wissen durchaus mitzuhalten. Cencic, der zur Regie noch die Rolle des secondo uomo übernommen hat,  brilliert als unglücklicher Arsamene.  Lauren Snouffer in der Rolle der Romilda, die in Stimme und Bühnenerscheinung und nicht zuletzt auch als vielseitige Darstellerin bezaubert, ist an diesem Abend zusammen mit Franco Fagioli unbestrittener Publikumsliebling.

Eigentlich müssten wir alle Mitwirkenden namentlich nennen. Sie alle tragen mit ihren exzellenten Stimmen und ihrer Spielfreudigkeit dazu bei, dass die Serse/Liberace Las Vegas Show ein großer Hit ist, ein Hit, der sich mit seinen gezielten Übertreibungen und mit seinen ironischen Klischee-Zitaten selber parodiert – ganz wie es auch die Musik will, in der sich Händel einen Spaß daraus macht, mit Bruchstücken aus der traditionellen opera seria zu jonglieren und diese  mit Witz und Ironie  in der Parodie und in der Satire ad absurdum  zu führen.

Wir erlebten eine Show, in der ich allerdings in keinem Augenblick an die „sieben Todsünden“ gedacht habe, die sich – folgt man den Ausführungen des Regisseurs Cencic im Programmheft – in den Affekten der sieben Figuren angeblich ereignen. Die sieben Todsünden sind, so wie sie Händel und Cencic in Szene setzen, einfach ein großer Spaß. Wer sich dabei ein schlechtes Gewissen macht, der kann ja seinen Spaß bereuen und zur Beichte gehen.

Wir besuchten die Aufführung am 22. Februar 2019, die dritte Vorstellung in dieser Inszenierung. Die Premiere war am 15. Februar 2019.