Im Schmelz versinken – bis zur Lichtpause. Eugen Onegin am Theater Freiburg

Tschaikowskys lyrische Szenen laden zu vielerlei Deutungen ein. Die einen wollen in Tatjana, der eigentlichen Protagonistin, eine selbstbewusste moderne „starke Frau“ sehen, andere inszenieren zur privaten Geschichte die russische Geschichte gleich mit, wieder andere machen aus Eugen Onegin eine Schwulenoper, in der die Frauen nur stören, wieder andere setzen ein Märchen aus Poesie und Traum, Liebe und Melancholie, Vergeblichkeit und Scheitern in Szene, nein, genauer: ein mit leichter Ironie gebrochenes Antimärchen. So Barrie Kosky in seiner Variante des Eugen Onegin in der Komischen Oper Berlin.

In Freiburg – das ist der erste Eindruck – hat man sich für die romantische Variante entschieden. Da singt und spielt eine verträumte jugendliche Tatjana (in der Person der Solen Mainguené)  so anrührend schön. Und dazu – so müsste man jetzt im Feuilleton Kitsch sagen – schluchzen die Geigen und seufzen die Oboen. Da  müssen unserem  ach so ältlich und grau gewordenem Publikum geradezu die Tränen kommen. Kein Huster wagt zu stören. Ja, wer nun partout sich  nicht rühren lassen will, der schaut halt auf sein Smartphone. Es ist ja auch nicht leicht, sich dem Sog der Lyrismen und dem Schmelz eines Tschaikowsky zu entziehen. Maestro Fabrice Bollon und das Philharmonische Orchester Freiübung und mit ihnen Regie (Peter Carp) und Bühne  (Kaspar Zwimpfer) tun auch alles, um eine Idylle aus Traum und Lektüreschaden, aus Frühlingserwachen und erster Enttäuschung herbei zu zaubern.

Doch nach den Tatjana Szenen ist es mit all dem vorbei. Aller Feinsinn, alle sanften Lyrismen sind verschwunden. Da trampelt der Chor der Bauern herum, da tröstet sich die so sanfte Tatjana mit der Wodka Flasche, da geraten die beiden betrunkenen Freunde aneinander, da schießen sie inmitten von Wodka Flaschen aufeinander, und der dümmliche Möchte-Gern- Poet, der von der Romantisierung des Lebens träumt, wird eher zufällig getroffen.

Ganz schlimm wird es im Schlussbild. Die Szene ist eine Vernissage, zu der die Künstlerin Tatjana (??) eingeladen hat. In diesem Ambiente wird die noch dazu lieblos herunter gespielte Polonaise  vollkommen funktionslos. Und das gleiche gilt für die (Pardon, so schrecklich abgedroschene) Nachsommer Arie des Gremin. Für den Schluss hat sich die Regie noch einen besonderen Gag aufbewahrt. Eine selbstbewusste, „starke“ Tatjana sucht mit der Taschenlampe in der Hand  im Ausstellungsraum nach Onegin und macht diesen, der einst den blasierten Dandy spielen wollte, zum impotenten Jammerlappen.

Doch lassen wir die Regie Gags und erinnern wir daran, dass in Freiburg ein brillantes junges Ensemble singt und agiert. Michael Borth in der Titelrolle, Joshua Kohl als Lenski und allen voran Solen Mainguené als Tatjana – in Stimme, Spiel und Bühnenerscheinung eine Idealbesetzung für die Rolle der Tatjana.

Wir   besuchten die Aufführung am 21. Dezember 2018. Die Premiere war am 28. September 2018.