Und zur Sturzgeburt kehrt der Liebhaber zurück . Eine szenisch gänzlich mißlungene und musikalisch allenfalls teilweise gelungene Ariadne auf Naxos beim Festival d‘Aix-en-Provence

Die Ariadne habe ich schon so manches Mal in „großartigen“Aufführungen gesehen –  in München und Berlin, in Paris und in Stuttgart. Maestro Marc Albrecht verdanke ich nicht wenige „großartige“ Opernabende. Und Katie Mitchell hat mit ihren Inszenierungen von Written on Skin und Lessons on Love and Violence „großartiges“ Theater produziert.

Doch jetzt in Aix bei ihrer Ariadne bleiben Maestro und Theatermacherin erheblich unter ihren Möglichkeiten. Es mag ja sein, dass die Solisten im Orchestergraben brillant musizierten. Doch erst im Finale – so schien es mir – gab es endlich die ‚glitzernden‘ Strauss-Klänge zu hören. Erst im Finale war in der Person der Lise Davidsen endlich eine „großartige“ Ariadne zu hören. Eine Strauss Sängerin der ersten Kategorie.

Das mag vielleicht auch daran liegen, dass die Regie die Sängerin endlich im Finale von ihrem angeklebten Neunmonatsbauch befreit hatte. Bei ihren ersten beiden Arien mußte Ariadne noch bewegungslos an einer langen Tafel hocken, die praktischerweise als Ruhelager für die Sturzgeburt im Finale herhalten konnte.

Bei der schon vom Libretto vorgegebenen Grundstruktur: Theater auf dem Theater tat die Regie alles, um den Sängern das Leben möglichst schwer zu machen. Im Prolog rennen ständig ganze Kohorten von Statisten durch die Szene – mit der Folge, dass das berühmte Duett zwischen dem Komponisten und Zerbinetta und ebenso die Schlussszene des Komponisten „Musik ist eine heilige Kunst“ im Statistengewühle fast untergehen. Nicht viel besser geht es Zerbinetta bei ihrer Bravourarie. Sie muss auf die Tafel klettern, an der sich Ariadne noch mit ihrer Schwangerschaft abmüht und ein gebeugtes altes Weib mit Stock und Baskenmütze mimen.

Bacchus hat nichts von einem Gott. Im Gegenteil: vom Outfit und Auftreten her ist er ein dröger Ehemann, der von einer Dienstreise gerade noch rechtzeitig zur Sturzgeburt zurück kommt und mit beleuchteten Kästchen spielt. In einem findet er eine Pistole. Ach ja, diesen Bacchus, das wissen wir noch von anderen Aufführungen, hält Ariadne ja für den Todesgott. Doch keine Angst: er bringt die junge Mutter nicht um. Sie darf weiter ihr Kindlein wiegen.
So reiht sich denn ein sinnloser oder vielleicht nur unverständlicher Gag an den anderen. Für die Schlussszene hat sich die Regie noch einen besonderen aufbewahrt. „Der reichste Mann von Wien“ ( von Kostüm und Maske her ein glatzköpfiger Transvestit) darf Strauss und Hofmannsthal noch eins auswischen: „Das ist keine Oper“. Da er wohl recht. Was das Produktionsteam um Katie Mitchell in Aix-en- Provence dem Publikum anbietet, das ist eine billige Klamotte, die es darauf anlegt, Musik und Libretto zu erledigen. Vornehm ausgedrückt: in Aix hat man sich für eine banalisierende und aktualisierende Variante des Ariadne-Mythos entschieden und läuft dabei Gefahr, den ‚Kern’ des Mythos zu zerstören.

Von Maestro Albrecht hätte ich mir gewünscht, dass er das Strauss und Hofmannsthal Diktum „Die Musik ist  heilige Kunst“ gegenüber einer lieblosen und desinteressierten Regie hochgehalten hätte.
Wir besuchten die Aufführung am 9. Juli 2018.