Über 150 Male – so erfährt man im Programmheft – hat Theatermacher Hilsdorf Schauspiele und Opern in großen und kleinen Häusern in Szene gesetzt – und man merkt es. Jetzt bei seiner Düsseldorfer Walküre hat er sich wohl seiner Essener Walküre erinnert – und wir als Zuschauer auch. Recycling und Zitate sind angesagt. Wieder sind wir unter Militärs – und zur Abwechslung mal in deren Bunkern. Wieder trägt man den grauen Soldatenmantel, und wieder feiert man mit ‚Blitzmädels‘, die in eleganten Abendkleidern posieren und am Rotwein nippen.
Alle gehören zur Familie, wie sie da im zweiten Akt an der langen Tafel sitzen. Oberbefehlshaber Wotan steigt in Siegerlaune zum Prosit schon mal auf den Tisch. Die schwangere Sieglinde nebst Unteroffizier Siegmund und Prinzessin Brünnhilde in großer Abendrobe, sie alle feiern mit. Auch der nur mühsam geduldete Jagdaufseher Hunding ist mit dabei. Doch Mutti Fricka hat ein Herz für ihn – die Folgen kennen wir noch aus anderen Inszenierungen. Eine Variante erlaubt sich indes die Regie: Nicht Wotan zerbricht dem armen Siegmund die Waffe. Er kommt auf ganz banale Weise um. In Wotans Bunker erschießt der Jagdaufseher ihn einfach mit der Flinte: Blattschuss. Und darf sich dann wieder an die Tafel setzen, wo er allerdings am Herzinfarkt dahingeht.
Es geht halt konventionell zu. Doch seien wir nicht so streng mit der Inszenierung. Es gibt, wenn man so will, auch einige Highlights. Im letzten Akt dürfen wir, bevor die Musik einsetzt und bevor sich der Vorhang hebt, den Helikopter Angriff aus Apocalypse Now hören. Währenddessen muss wohl in Wotans zum Saal ausgebauten Bunker ein veritabler Helikopter gestürzt sein. Ihm entsteigen athletische junge Männer, die von den Damen zum Drink eingeladen werden.
Man sieht, dem Inszenierungsteam mangelt es nicht an kuriosen Einfällen. Noch zwei Beispiele. In Hundings Bunker kann sich Unteroffizier Siegmund zum Aufwärmen vor einen richtigen Herd aus Urgroßmutters Küche legen, und im Finale darf er sich in Nato-Oliv Unterhose präsentieren. Sieglinde ihrerseits darf sich des Nachthemds entledigen, die Korsage anbehalten und schnell in Siegmunds abgelegte Soldatenmontur schlüpfen. Achtung ihr Schläfer im Publikum: Symbolik. Die beiden haben etwas miteinander. Mit Verlaub gesagt: von der Leidenschaft, von der ‚Liebe als Passion‘, erzählt uns doch die Musik im Übermaß, und das bekommt doch auch noch der naivste Zuhörer mit. Da brauchen wir doch keinen halben Striptease mehr – zumindest keinen, der in unfreiwillige (?) Komik umkippt. Solch billige Überdetermination darf doch einem routinierten Regieteam nicht passieren.
Schade, bei der Düsseldorfer Walküre bleibt die Regie erheblich unter ihrem gewohnten Niveau. Das Ganze kommt mir wie dumpfer, biederer Hyperrealismus vor, der selbst vor Peinlichkeiten nicht zurückschreckt.
Vergessen wir also die Inszenierung und behalten wir den Musikpart in Erinnerung. Eine so jugendliche, als Bühnenerscheinung so fragile und glaubwürdige und so grandios singende Sieglinde (in der Person der Elisabet Strid) sieht und hört man höchst selten. Corby Welch in der Rolle des Siegmund, den ich vor Jahren noch als Mozart-Tenor gehört habe, hat sich zum exzellenten Wagner-Sänger entwickelt. Dass Linda Watson, die Düsseldorf Wagner Hausgöttin, noch immer die Brünnhilde zu singen und zu gestalten weiß und dass Simon Neal als Wotan ihr nicht nachsteht, das war zu erwarten und geradezu selbstverständlich. Und dass die Düsseldorfer Symphoniker unter der Leitung von Axel Kober einen Wagner spielen comme il faut, auch das versteht sich von selber.
Ob ich noch einmal hingehe? Wegen der Sänger, wegen des Musikparts alle Male. Die Inszenierung muss man halt ertragen. Doch so schlimm wie die Bayreuther, die dort in diesem Sommer noch einmal auf dem Programm steht, ist sie nicht. Und so poetisch wie Kriegenburgs Walküre in München ist sie leider auch nicht.
Wir besuchten die Aufführung am 25. März 2018. Die Premiere war am 28. Januar 2018.