Die Leiden der schwangeren Maitresse. Alcina bei den Karlsruher Händel-Festspielen 2018

Eine Sängerin in Umständen, ein überforderter Sänger, eine den Alcina Mythos simplifizierende Inszenierung. Das war nicht unbedingt ein Festspiel gemäßer Auftakt. Seltsamerweise interessiert die Regie die Metatheater Funktion der Figur der  Alcina nicht im Geringsten: ihre Rolle als Chiffre von Trug und Schein, als Symbolfigur der Scheinwelt des Theaters. Die Regie reduziert Alcina auf einen Teilbereich, auf ihre Funktion als erotische Chiffre – und banalisiert diese noch dazu. Sie macht Alcina zur Mitspielerin in einer simplen Dreiecksgeschichte.

Captain Roger von der Army hat sich mit seiner Geliebten namens Alcina in deren Luxus Residenz eine Auszeit genommen Doch kaum hat er von seinem alten Ausbilder, der zusammen mit Rogers verlassener Ehefrau in der Residenz auftaucht, eine dröhnende Standpauke über Pflichtvergessenheit und eheliche Moral abbekommen, da lässt er, wenn auch zögernd, die schwangere Mätresse sitzen, macht aus der Residenz Kleinholz, kehrt zur liebenden Gattin zurück und macht wieder den militärischen Draufgänger. Fürwahr das Hohe Lied von der american political correctness, das uns  der aus den Staaten eingeflogene Theatermacher in Szene setzt..

Nicht nur die Inszenierung ließ so manche Wünsche offen. Auch der Musik Part hatte nicht unbedingt Festspielniveau. Zwar spielten die „Deutschen Händel-Solisten“,  ganz wie zu erwarten war,  einen Händel comme il faut. Auch die Damen Alcina und Morgana in den Personen der Layla Claire und der Aleksandra Kubas-Kruk sangen brillant. Morgana darf gleich in ihrer Eröffnungsarie „O s’apre al riso“ in Koloraturen schwelgen. Und Alcina weiß ihre beiden Melancholie Arien geradezu anrührend zu gestalten: „Sì, son quella, non più bella“, als sie schon ahnt, dass sie ihren Liebhaber verlieren wird. „Mi restano le lagrime“, als sie erkennen muss, dass ihre Welt der Illusionen sich aufgelöst hat.

Schade nur, dass an diesem Premierenabend  der Sänger des Ruggiero, den  wir zuletzt in Innsbruck bei Festival der Alten Musik gehört hatten, nicht immer zu seiner Hochform fand. Halten wir ihm zu Gute, dass er sieben schwierige Arien zu singen hatte, dass er die einen brillant und die anderen nicht so schön sang, wie man das von ihm erwartete. Halten wir ihm weiter zu Gute, dass es für ihn nicht leicht war, sich gegenüber den die Szene dominierenden Damen zu behaupten und dass es ihm auch die Regie  schwer machte wie gewohnt zu brillieren. Nur ein Beispiel. Bei dem Highlight „Verdi prati, selve amene“ hatte ihm die Regie verordnet, in gebückter Haltung zu singen. Sollte er auf dem Bühnenboden vielleicht die grünen Auen suchen? Da konnte er lange suchen. Die grünen Auen gab es nicht.

Dafür gab es hübsche mit Klimmt Gold  aufgemachte Videos und Kulissen zu sehen und einen Bewegungschor, der den Hofstaat bzw. die Bediensteten der Alcina mimte oder auch, wenn man so will, Musik in die Sprache des Körpers zu transponieren suchte bzw. mit rhythmischen Bewegungen und Bodenturnen eine Choreographie andeuten sollte. Eine Choreographie, die man leider nicht ausspielen konnte, weil der Corps de Ballet wohl anderweitig beschäftigt war.

Ein enttäuschender Abend in Karlsruhe. Ein Glück, dass am nächsten Abend Valer Sabadus ein Solistenkonzert mit Arien von Händel und Porpora gab. An diesem Abend war ein Ausnahmekünstler zu bewundern. Eine Stimme der absoluten Spitzenklasse. Ein Sänger, der zu Recht mit standing ovations gefeiert wurde, ein Künstler, der uns ahnen lässt, wie Händel und Porpora wohl im 18. Jahrhundert geklungen haben könnten.

Wir besuchten die Alcina Premiere am 16. Februar, das Arienkonzert am 17. Februar 2018.