Unter Kamelienblüten und im Natodrahtverhau. Ein szenisch misslungener Il Trovatore an der Oper Frankfurt

Gleich zweimal zitiert das Programmheft ein Caruso zugeschriebenes Bonmot: für Il Trovatore brauche man „die vier besten Sänger der Welt“. Ob in Frankfurt „die vier besten Sänger der Welt“ zu hören waren, das sei dahingestellt. Ihr Bestes gaben die Frankfurter Solisten alle Male. Wie seltsam nur: nicht der Tenor war der Star des Abends, und auch nicht die Sopranistin. Unumstrittener Star des Abends war die Mezzosopranistin: Azucena in der Person der Tanja Ariane Baumgartner. Wie sie die Zerrissenheit zwischen dem Zwang zur Rache für den Tod der Mutter und der Liebe zum Adoptivsohn, der für sie das Instrument der Rache ist, wie sie diesen Zwiespalt singt und gestaltet, das ist  Verdi in Perfektion, ein Verdi, der begeistert und zugleich berührt. Man könnte auch sagen: die Azucena-Szenen werden in einer solch brillanten  Interpretation zu Szenen, in denen auch ein antiquiertes Schauerdrama ganz klassisch ‚Furcht und Mitleid‘ erregen kann..

Die Sänger hatten es an diesem Abend in Frankfurt nicht leicht. Nicht nur dass, wie allgemein bekannt, alle Rollen höchst anspruchsvoll sind, weite Teile der Partien zum Wunschkonzert Repertoire gehören und jeder Opernbesucher sie zu kennen glaubt. Hinzu kommt, dass alle Mitwirkenden in  – mit Verlaub gesagt – in einer unmöglichen Inszenierung agieren mussten und überdies in nicht gerade vorteilhafte Kostüme gesteckt wurden.

Nur ein Beispiel: die Sängerin der Leonora (Leah Crocetto) darf im langen Faltenrock mit geblümter Bluse, in Turnschuhen und mit einer schwarzen Wuschelkopf Perücke, die ihr fast ganz das Gesicht verdeckt, herum hüpfen – in ihrer Auftrittsszene unter Kamelienblüten, im Finale zwischen Natodrahtverhauen. Eine erbarmungslose Regie macht aus einer romantischen Heldin ein Dummchen aus der Vorstadt. Immerhin darf sie ungestört von Mätzchen ihre großen Szenen von der Rampe herab singen und sich dabei in die konventionellen Operngesten flüchten.

Die Ramschausstattung für die Zigeunerszenen hat man sich wohl von einer Heimatbühne, die vor Jahrzehnten sich am Zigeunerbaron versucht hatte, ausgeliehen. Da hat es der Conte di Luna schon besser. Seine Mannen sind  mit Stahlhelm und Maschinenpistole ausgerüstet und verfügen sogar über einen veritablen Panzer. Gegen diese Streitmacht hat Manrico  mit seinem lockeren Zigeunertrupp keine Chance.

War das nun Opas Stadttheater, was wir in Frankfurt am Weihnachtsabend gesehen haben? War das eine Parodie auf Zigeunerseligkeit, Schauerromantik und ‚Liebe als Passion‘? Ich weiß es nicht. Vielleicht war es auch ein Abend, an dem die Lichtdesign- und die Videoabteilung ihre „Kunstfertigkeiten zu produzieren die Ehre“ hatten? Da glitzern die Sterne, da dräuen die Kometen, da ziehen schwarze Vogelschatten vorbei, da erscheint ein gespenstisches Portrait der Leonora, ein Traumbild, das nicht im Geringsten etwas mit der Bühnenerscheinung der Leonora zu tun hat. Da lodern die Scheiterhaufen, da leuchtet ein riesiges Herz mit Feuerrändern auf. Achtung Symbolik? Oder doch nur Kirmes-Trash?

Doch seien wir nicht so streng. Sagen wir einfach: der Frankfurter Trovatore das ist Schauerromantik für die Nachmittagsvorstellung. Herz und Schmerz und Wunschkonzert für unsere seit Urzeiten treuen Abonnenten.

Wir sahen die Aufführung am 25. Dezember 2017, die 10. Vorstellung in dieser Inszenierung, einer „Koproduktion mit dem Royal Opera House Covent Garden London“.  Die Frankfurter Premiere war am 10. September 2017.