Wie soll man die Geschichte vom jungen, ehrgeizigen und ach so schönen Marquis de Cinq-Mars, dem Günstling des Königs, der gegen den geradezu allmächtigen Kardinal Richelieu zu intrigieren versucht, dabei kläglich scheitert und hingerichtet wird, wie soll man diese Haupt- und Staatsaktion in Szene setzen? Und wenn sich noch dazu das Politische mit dem Privaten überkreuzt und der schöne Marquis nicht nur Politker, sondern auch romantischer Liebhaber ist, der, weil der Kardinal ihm aus politischen Gründen die Hochzeit mit der schönen Prinzessin verwehrt, gegen diesen rebelliert und dabei im Wortverstande den Kopf verliert. Wie soll man diese Melange aus Politik und Passion in Szene setzen?
In Leipzig hat sich Theatermacher Anthony Pilavachi für eine konsequente und stringente historisierende Inszenierung entschieden, für eine Bildergalerie des 17. Jahrhunderts, für eine Abfolge von Tableaux vivants, aus denen die Akteure gleichsam heraustreten und die ihnen zugedachten Rollen übernehmen. Und damit über die Grundkonzeption auch nicht der leiseste Zweifel aufkommen kann, wird schon der eiserne Vorhang in einen klassischen Bilderrahmen eingefasst und jede Szene noch dazu in einen Rahmen gestellt.
Wer diese Art von Opernmuseum mit seinen wunderschönen Bildern mag, wer an prunkvollen Kostümen, an Culotten und Reifröcken, an großen farbigen Hüten, an Adelsprunk, höfischen Festen, königlichen Jagdgesellschaften Gefallen findet, dem bietet die Inszenierung Anschauungsmaterial in Fülle.
Und dann noch dazu dieser romantische Jüngling, der die Liebe als Passion bis zum Tode durchspielt, der anders als der klassische Held um der Liebe willen Staatsraison, Vernunft und Verpflichtung außer Acht lässt. Und nicht zuletzt die schöne Prinzessin wie sie als Bildfigur ihrer selbst schon zur Ouvertüre vor den Särgen mit den abgeschlagenen Köpfen ihres Liebhabers und dessen Freundes steht, wie ihr vor den Särgen der König und der Kardinal in stummer Geste die Krone Polens aufzwingen, wie sie im zweiten Akt vor einem, besser: in einem Poussin Gemälde sich zu ihrer Liebe bekennt. All dies und noch vieles mehr sind wunderschöne Grand Opéra Szenen in Luxusausstattung. Wer das Historisierende mag, der erlebt in der Tat in Leipzig einen Opernevent der Extraklsse.
Auch die Gounod Verehrer, die sich so lange mit Faust und Roméo et Juliette begnügen mussten, dürften sich an dieser späten und so lange in den Archiven schlummernden opéra lyrique ( die Uraufführung war im Jahre 1877) erfreuen. Im Cinq- Mars findet der Gounod Fan alles, was er an diesem Komponisten so sehr schätzt: bravoureuse, gefühlvolle Kavatinen und Duette, mächtige Chöre, einen Melodienreichtum in Überfülle und natürlich die obligatorische Ballettmusik. Und wenn dann noch dazu alle tragenden Rollen so brillant besetzt sind wie jetzt in Leipzig: Mathias Vidal als romantischer Held, Fabienne Conrad als liebende und leidende Prinzessin, Jonathan Michie als selbstloser Freund des Helden, Mark Schnaible als intriganter Bösewicht, ja dann gibt es nichts zu bekritteln. Und das Publikum ist zu Recht begeistert.
Allenfalls ein verknöcherter Wagnerianer könnte einwenden, dass diese Gounod Musik doch ein bißchen zu seicht, zu gefällig, zu zuckrig sei. Allein, was tut’s. De gustibus non est disputandum.
Wir sahen die Aufführung am 27. Mai 2017, die zweite Vorstellung.