Alles nur Seifenblasen? Antonio Salieri, Falstaff. Eine Komödie bei den Royals am Theater an der Wien

Zum Finale des ersten Akts – der verhinderte Liebhaber Falstaff nimmt gerade ein unfreiwilliges Bad in der Themse, und der eifersüchtige Ehemann Mr Ford verheddert sich in seinen Wahnwelten – regnet es Seifenblasen vom Bühnenhimmel. Ein Signal der Selbstironie, mit dem die Regie dem Publikum zu verstehen gibt, dass in dieser Opera comica alles Geschehen doch nur ein großer Spaß sei, ein Spaß für alle, für Akteure und Musiker, für Regie und Publikum, dass wir alle gerade die Scheinwelt des Theaters erleben, dass wir gerade in eine Soap Opera eintauchen.

Und nicht genug damit. Was wir auf der Bühne sehen, das ist Theater auf dem Theater. Im großen Festsaal im Schloss in Windsor spielt die Hofgesellschaft  vor der Queen die Komödie Falstaff, und die Royals übernehmen die Hauptrollen. Kate ist Mrs Alice Ford, Prinz William übernimmt den Part des scheinbar gehörnten Ehemanns, Camilla ist Mrs Slender und Prinz Charles darf Mr. Slender mimen. Und Falstaff und sein Diener Bardolf mischen sich als Dick und Doof unter die illustre Gesellschaft, mischen diese auf – und fallen bald aus ihren Rollen. Der Diener mutiert zum Mephisto, der alle Fäden in der Hand hält und alle Figuren nach Belieben bewegt, und der korpulente Falstaff ist nur scheinbar wohlbeleibt. Im zweiten Akt wird er den Schaumstoff Wamst von sich werfen und zum durchaus attraktiven Liebhaber mutieren, der den armen Mr Ford, mag sich dieser auch als Mr Bond vorstellen, vor Eifersucht in den Wahn treibt,

Eine Figurenkonstellation, eine Handlung, ein Szenarium, mit einem Wort: ein Stoff, aus dem die Komödien sind. The Queen is amused – und wir alle im Publikum nicht minder. Zweifellos eine eingängige und überzeugende Grundkonzeption, die aus der bekannten  Shakespeare Komödie ein zeitgenössisches Boulevardstück zu machen versteht. Allerdings funktioniert das alles nur, wenn die Regie über ein spielfreudiges Ensemble grandioser Sängerschauspieler verfügt. „Für mich ist es unmöglich, mir das Stück mit Sängern, die keine guten Schauspieler sind, vorzustellen“ ( René Jacobs). Maestro Jacobs kann beruhigt sein. In Wien singt und agiert ein Ensemble, wie man es sich nicht besser vorstellen kann: Anett Fritsch als Mrs Ford, Maxim Mironow als Mr Ford, Christoph Pohl als Falstaff, Robert Gleadow als Diener und Intrigant Bardolf, um nur die Sänger der tragenden Rollen zu nennen. Exzellente Sänger und grandiose Komödianten sind sie alle. Doch die Palme gebührt Anett Fritsch. Wie  sie über die Bühne wirbelt, scheinbar hektisch und nervös, wie sie Katz und Maus mit dem verliebten Falstaff spielt, die Eifersucht des Ehemanns mal anstachelt, mal zerstreut und beide Männer zu Figuren ihres Spiels zu reduzieren weiß, das ist schon große Komödie, Feydaux Komödie, wenn man so will.

Und die Musik?  Sie hat es schwer,  sich gegenüber der Macht der Szene zu behaupten.  „Die Instrumentierung ist sehr durchsichtig, nicht dass etwas fehlt, aber wenn man kein Hammerklavier hätte, das noch im Continuo spielt, da würde man schon denken, das ist dünn“. ( René Jacobs). Ich vermag die Musik nicht zu beurteilen, zumal ich sie zuvor noch nie gehört hatte. Vielleicht nur eine Bemerkung: diese Musik,  so schien es mir, führt kein Eigenleben, sie illustriert das Geschehen, ist letztlich wohl nur der Soundtrack für eine Komödie. Vielleicht will sie auch gar nichts anderes.

Wie dem auch sei. Renė Jacobs und  Torsten Fischer haben Salieris. „Opera comica in zwei Akten“ , die 1799 uraufgeführt wurde, wieder zum Leben erweckt – wohl kaum zu langem Leben. Doch einen vergnüglichen Abend im Theater an der Wien haben sie einem begeisterten  Publikum alle Male beschert.

Wir sahen die Aufführung am 23. Oktober 2016, die Dernière. Die Premiere war am 12. Oktober 2016.