Trash, Trash! Überall Trash! Wohin ich forschend blick. Die Meistersinger von Nürnberg. Eine dürftige Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper

Wagners Musik hält viel aus, hält wohl alles aus. Auch eine dürftige, misslungene Inszenierung. Ja, warum, so mag Theatermacher David Bösch gedacht haben, warum soll man die Meistersinger Komödie nicht einmal im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu in der frühen Nachkriegszeit spielen lassen. Vielleicht in Bochum oder in Gelsenkirchen, inmitten ärmlich-grauer Betonklötze, auf einem Vorplatz, auf dem der Schuster Hans Sachs seinen verbeulten Kleinlaster parkt, der ihm zugleich als Werk- und Schlafstatt dient. Die Gasse davor nutzt er als sein Wohnzimmer, das er mit paar Blümchen garniert hat. Dort schustert er, dort intrigiert er, dort jammert er, dort regelt er alles. In diesem Milieu fungiert Veit Pogner als Kleinkapitalist, und sein Töchterchen ist ein scheinbar verhuschtes katholisches Mägdelein, das der Rocker Stolzing geradewegs aus der Sankt Josephs-Prozession, auf der man seltsamerweise protestantische Choräle singt, heraus-  und in einen Bierwagen hineinzieht. Keine Angst! Es passiert nichts. Rocker Stolzing ist ein anständiger Rocker, der sich, wie wir noch aus anderen Inszenierungen wissen, das Mädchen ersingen wird. Überdies kommt noch die Freundin Magdalene vorbei – auch sie im züchtigen, altjüngferlichen Kleid – und stört das beginnende Liebesspiel.

Alles bleibt brav und bieder. Regisseur Bösch scheut alle Experimente. Von einem Traumspiel, von den Nachtmützen-Träumereien eines Spitzweg Poeten, wie  Stefan Herheim vor ein paar Jahren die Meistersinger in Salzburg in Szene setzte oder gar von einer Umdeutung der Figur der Eva zur kleinen femme fatale, die dem armen Stolzing in der Singschule die Hörner aufsetzt, eine Interpretation der Meistersinger, wie sie Tobias Kratzer in Karlsruhe vorschlägt, von all diesem Subversiven will die Regie in München nichts wissen.  Ihr gefällt der Kleinbürger- und Proleten-Trash – ein recht einfallsloser und langweiliger Trash. Natürlich gibt es zur Abwechslung auch ein paar hübsche Gags. David muss sich auf der „Festwiese“ mit Schnaps rituell besaufen und darf dann in den Meistersinger-Pokal kotzen. Beckmesser darf sich zum Preissingen im glitzernden Popkostüm präsentieren und sich im Finale erschießen. Sein verunglücktes Ständchen singt er von einem Baukran. Zur politischen Ansprache des Sachs wird die Fernsehübertragung unterbrochen. Staatstragender Sermon soll auch in der frühen Nachkriegszeit verpönt gewesen sein.

Mit Wagner, und sei es auch nur mit seiner ‚Komödie für Musik‘,  kann die Regie offensichtlich nicht viel anfangen und so überlässt sie zur Gänze Maestro Petrenko das Feld. Wie zu erwarten war,  zelebriert der Maestro Wagner, nimmt alles Gedröhne  und jegliches Getöse weg, lässt einen sanften, einen zurückhaltenden Wagner spielen, reicht seinem Publikum nur eine leichte Wagner-Droge, überlässt das  Rauschhafte ganz dem letzten Tag des Oktoberfests – und rettet mit seinem Orchester den Abend für das Nationaltheater.

Das soll nicht heißen, dass nicht  gesungen wurde, wie es dem  hohen Niveau des Hauses entspricht. Da zur Enttäuschung so mancher Damen und so mancher Jünglinge  –  „Sehen Sie doch diese Jünglinge  – erstarrt, blass, atemlos! Das sind Wagnerianer“ –  der vorgesehene  Startenor abgesagt hatte, avancierte Wolfgang Koch in der Rolle des Hans Sachs zum zu Recht gefeierten Star des Abends.

Und sonst noch? Vielleicht fahre ich noch einmal zum Tristan nach Graz. Wir sahen die Münchner Meistersinger am 3. Oktober 2016. Die Premiere war am 16. Mai 2016.