Zum Musiktheater in Karlsruhe gehe ich gern. Man muss schon sehr viel Pech haben, wenn man in eine nicht gelungene Aufführung gerät. Doch jetzt passierte es gleich zweimal hintereinander, dass äußere Umstände die Aufführung beeinträchtigten. Bei den Händel Festspielen im Februar dieses Jahres war es ein Unfall in der Bühnenmaschinerie (ein letztlich noch relativ glimpflich verlaufener Unfall), der nur noch eine konzertante Aufführung zuließ. Jetzt beim Tristan – man kann es kaum glauben – war es das pfeifende Geräusch eines defekten(?) Hörgeräts, das den Basso continuo im zweiten Akt des Tristan beisteuerte, ein Misston, der Sänger und Musiker und große Teile des Publikums nervte. Doch Wagner hält auch die Misstöne aus dem Saale aus, und es war bewundernswert, wie alle Mitwirkenden es trotzdem schafften, die berüchtigte Wagner Droge ihrem Publikum zu bereiten.
Auch die Regie, der – mit Verlaub gesagt – nur eine recht banalisierende Variante des Mythos eingefallen war, war der Aufführung nicht gerade von Nutzen. Die Szene, die Einheitsszene, ist das Casino oder vielleicht auch nur der Wartesaal für betuchte Passagiere auf einem Fährschiff in den dreißiger (?) Jahren. Die Passagiere lümmeln sich in den Sesseln herum und sprechen ausgiebig dem Whisky zu. Der Boss, vom Outfit her wohl ein Mafioso, und sein erster Mitarbeiter Tristan machen da keine Ausnahme. Die blonde, noch recht jugendliche Isolde fühlt sich in dieser Männergesellschaft gar nicht wohl und nervt Tristan beträchtlich. Das Ergebnis kennen wir noch von anderen Inszenierungen. Eine kleine Pointe, die einer gewissen Komik nicht entbehrt, setzt die Regie dennoch. Den Brautstrauß überreicht der wohl etwas kurzsichtige Boss (bei Wagner ein gewisser König Marke) der falschen Frau, Brangäne, und lässt damit Tristan und Isolde noch ein paar Sekunden für schmachtende Blicke.
Auch im zweiten und dritten Akt löst die Regie sich kaum von Banalitäten. Warum Tristan und Isolde unbedingt die „Nacht der Liebe“ auf der Couch im Casino feiern müssen, ein eifersüchtiger Melot von der Empore aus Tristan niederschießt, das mag sich alles aus der einmal gewählten Grundkonzeption ergeben. Und das gleiche gilt für den dritten Akt. Isolde braucht gar nicht mehr mit dem Schiff zu kommen. Sie ist schon da und wirft von der Empore aus Grabblumen auf den moribunden Tristan. Im Finale kommt sie dann (aus dramaturgischer Notwendigkeit) noch einmal ins Casino zu Tristan herunter. Der darf dann, bevor es ganz aus mit ihm ist, noch ein wenig auf dem Boden herumkriechen. Der Boss lässt die Leiche sofort wegschaffen, gibt dem von Melot erschossenem Kurwenal noch einen Fußtritt, und Brangäne drückt Isolde die Pistole in die Hand. Der ‚Liebestod‘, so schön er auch gesungen wird, so schön ihn auch das Orchester zelebriert, ist nichts als ein banaler Selbstmord.
Wagner hält, wie schon gesagt, viel aus, auch abwegige Inszenierungen. Doch vergessen wir die Szene und die Misshelligkeiten im zweiten Akt. In Erinnerung bleibt (in der Person des Erin Caves) ein grandios singender Tristan, der den dritten Akt zum Ereignis werden ließ.
Wir sahen die Vorstellung am 26. Juni 2016. Die Premiere war am 27. März 2016.