Der Mythos lebt in seinen Varianten – ein Befund, den vor ein paar Jahrzehnten Hans Blumenberg unter die Leute gebracht hat und der, so banal er auch sein mag, sich immer wieder bestätigt, um nicht zu sagen, der das Grundprinzip jeder Inszenierung ist.An der Komischen Oper hatte sich vor gut einem Jahr Theatermacher Fritsch den Don Giovanni vorgenommen und die „Oper aller Oper “ in eine höchst kunstvoll angelegte Posse verwandelt und dabei die Figur des Don Giovanni zum Harlekin gemacht. Eine Posse, die der Mythos mit Leichtigkeit erträgt, mag dabei auch ‚der Kern‘ des Mythos zerdeppert werden. Ein großer Spaß für Akteure und Publikum ist eine solche Variante alle Male.Wenn jetzt in Zürich Fritsch sich den Artus Mythos vornimmt, dieses „Symbol für Britishness“, und diesen lustvoll ‚dekonstruiert‘, dann ist der Spaß nicht minder groß. Nein, er ist noch größer, denn Fritsch stellt sich mit seiner Variante in die Tradition der Monty Python Komiker und deren parodistischer Erledigung des Mythos und sucht mit seiner grandiosen Theater- Show, mit einer auf die Spitze getriebenen Groteske die englischen Komiker noch zu übertreffen. Sein King Arthur ist von Kostüm und Maske her ein Wiedergänger von Prinz Eisenherz, stolpert in seiner Ritterrüstung nur so über die Bühne, kämpft mit Oswald, dem König der Sachsen, einem zu klein geratenen Rübezahl um die Herrschaft über England und um die Liebe der Prinzessin Emmeline, vom Outfit her eine zu lang geratene Barbie-Puppe. In diesem Streit mischen auf Seiten der Sachsen der böse Zauberer Osmond, eine Art schwarzer Teufel, und auf Seiten der Engländer der Zauberer Merlin, ein ehrwürdiger schlanker Greis mit Weihnachtsmannbart mit. Mitmischen dürfen auch Erdgeister, Luftgeister, Priester, Krieger, Sirenen, Waldgeister und natürlich auch Cupido. Immerhin geht es ja auch um die Liebe in diesem Stück. Groteske Figuren sind sie alle, wie sie da herumtänzeln, ihre Luftsprünge machen, übereinander purzeln, mit ihren Holzschwertern herumfuchteln, kreischen und lachen, gestelzt reden, Kalauer von sich geben. Nicht einen Sprung, sondern einen Sprüngli macht Artus vom Souffleurkasten. Aus Artur machen die verblödeten Sachsen schon mal B-Dur oder C-Dur usw. Grotesken ringsum: in der Sprache, in den Kostümen, in den Masken, in den Bewegungen.In dieser Semi-Oper brillieren die Schauspieler. Sie bestreiten durchweg die Grotesken. Für den Gegenpol, das Sublime, sorgen die Sänger. Sublim sind Orchesterklang und Gesang beim Chor der Hirten und vor allem beim berühmten Frost- Tableau im dritten Akt. Im Finale, der Apotheose Englands, werden sich Groteskes und Sublimes überlagern und ineinander übergehen. Ein geradezu verrückter Preis der Vorzüge des alten Englands mit Fahnenaufmarsch und Gerenne und Geschiebe auf der Bühne. Aus dem Graben klingt dazu mal feierlich, mal irrwitzig zur Illustration des Ganzen die Purcell Musik, und der (britische) Dirigent singt, zum Publikum gewandt, gleich mit. Wir im Publikum sollen auch mitsingen. Ja, wenn wir nur den Text kennen würden und nicht so verschüchtert wären. Hatten sich doch nach der Pause die Reihen beträchtlich gelichtet. Parodie, Komik, Groteske, Kindermärchen, in dem der Gute nach vielerlei Prüfungen die Prinzessin kriegt und der Böse nur ein bisschen bestraft wird und wo am Ende alles gut ist, das ist halt nicht jedermanns Sache. Zumal das Ganze über drei Stunden dauert. Doch wer großes Theater mag, Theater, dem alles ‚ Realistische‘ fern liegt, das ohne aufwendiges Dekor allein aus dem Spiel der Akteure entsteht und sich in der Imagination der Zuschauer vollendet, der kam in Zürich auf seine Kosten. Oder sagen wir ganz einfach: der hatte seinen Spaß am kunstvoll arrangierten Nonsens.
Wir sahen die Aufführung am 17. März 2016. Die Premiere war am 27. Februar 2016.