Da haben sie im Stagione Betrieb schon viermal in der letzten Februarwoche als Volk von Palermo gegen den machtgeilen und hypokriten Friedrich protestiert – vor einem Publikum, das sich noch nicht einmal zu einem Zwischenapplaus aufraffen kann. Man sollte es Solisten, Chor und Orchester nicht übel nehmen, dass ihnen allesamt wohl die Lust an dieser lustlosen ‚Komödie für Musik‘ vergangen ist, dieser „großen komischen Oper“ des jungen Wagner, die Regisseur Kasper Holten so träge, so langweilig, so schrecklich um Gags bemüht, so lustlos in Szene gesetzt hat.
Die Gags, die die Regie erfindet, sind zum Gähnen und können allenfalls eine Altherrensitzung erheitern. Da stopfen sich die Novizinnen im Kloster mit Kartoffelchips voll (Achtung: sie erliegen der Sünde der gula), da ergötzen sich in stillen Ecken die Nonnen mit Pornoheften oder versuchen es gleich mit mystisch-erotischer Verzückung (Achtung: sie begehen die Sünde der luxuria). Da hat der Statthalter nicht nur einen Sexkomplex, sondern noch einen Mutter- und Erlöserkomplex dazu (Dr. Freud lässt grüßen). Ja, und Sex, schnellen Sex, wollen all diese Männlein, all diese Clowns, Latin Lovers, Säufer, Polizisten und nicht zuletzt der mit langen Unterhosen und Sockenhaltern ausstaffierte geile Spießer Friedrich, all diese Karikaturen, wie sie uns die Regie vorführt. Und die Frauen haben nichts dagegen. Selbst Isabella, die trickreiche Novizin, die dem hoffnungsfrohen Lüstling statt ihrer die schnöde verlassene Gattin (im Wortverstande) unterschiebt, ist letztlich den irdischen Freuden zugeneigt. Und wenn zu alle dem im Finale noch Mutter Angela mit dem Geldkoffer eingeflogen wird und die Euroscheine regnen lässt (das ist der einzige überzeugende Gag der Inszenierung), dann ist „alles, alles gut!“. Komik für die Nachmittagssitzung eines rheinischen Karnevalsvereins.
Wenn bei diesem in Madrid so abgespielten Stück mit seiner so aufgesetzten Komik doch wenigstens brillant gesungen würde. So lustlos wie die Regie sich gibt, so lustlos und müde singen und agieren (mit Ausnahme von Christopher Maltman in der Rolle des Buhmanns Friedrich) die Sänger. Sie haben wohl alle einen schlechten Tag erwischt. Und den Musikern im Graben und Maestro Ivor Bolton am Pult ergeht es nicht besser. Die Musik, diese Melange aus Schubert, Weber, Bellini, Donizetti, der es nicht an schönen Melodien mangelt, plätschert halt so vor sich hin. Eben ein Proto-Wagner aus dem Magdeburg des Jahres 1836. Dürftig und peinlich – so der allgemeine Eindruck.
Ehe wir es vergessen: den Witz und die Komik, die wir auf der Szene so sehr vermisst haben, sie finden sich (ich vermute unfreiwillig) im Programmheft. Dort erfahren wir, dass der einundzwanzigjährige Wagner, weil die Minna nicht gleich mit ihm ins Bett wollte, an Hormonstörungen leiden musste, dass er mit dem Liebesverbot mitnichten für freie Liebe und hemmungslosen Sex plädiert habe. Ganz im Gegenteil. Er plädiere dort für die Monogamie. Doch vor allem sei die Oper „una gigantesca carta de amor a Minna Planner”. Ihr würde er all ihre Eskapaden verzeihen, wenn sie ihn nur nehmen würde. Und im Übrigen seien die Südländer mitnichten faul und bequem. Das sei ein böses Klischee, das Goethe und vor allem Heinse in die Welt gesetzt hätten. Und der böse Friedrich, der sei doch eine Angela Merkel im Anzug, die Sparsamkeit Leuten aufzwingen wolle, die doch nur ein bisschen feiern wollten.
So kriegen wir im Teatro Real, noch dazu gratis, zur dürftigen Szene und zur lauen Musik wenigstens ein paar Informationen über die Leiden des jungen Wagner und den bösen Protestantismus einer Politikerin aus ‚diesem unseren Lande‘.
Wir sahen die Vorstellung am 28. Februar 2016, eine Aufführung, die erheblich unter dem Niveau eines großen Hauses liegt.