Es müssen ja nicht immer die renommierten Bühnen sein. Auch an den kleinen Häusern gelingen mitunter wie jetzt in Augsburg beachtliche Aufführungen. Dabei erstaunt es immer wieder, über welch brillante internationale Ensembles diese Häuser in der angeblich so tiefen deutschen Provinz verfügen.
In Augsburg werden entgegen dem geläufigen Trend die Traumfrauen nicht von ein und derselben Sängerin, sondern von drei verschiedenen Sängerinnen gestaltet. Und alle drei Damen (Olympia alias Cathrin Lange, Antonia alias Andréana Kraschewski, Giulietta alias Sally du Randt) sind in Stimme, Spiel und Bühnenerscheinung beeindruckend. Und das gleiche gilt für den Hoffmann in der Person des Ji-Woon Kim und nicht minder für Ricardo López in der Rolle des vierfachen Bösewichts.
Auch die Regie ist ambitiös, macht aus dem Literaten Hoffmann einen Bildhauer, der auf einer Vernissage im Foyer eines Opernhauses abstrakte Figuren ausstellt und der doch von unerreichbaren weiblichen Ikonen träumt: von Botticellis Venus, die ihm in seiner Imagination zur Automatenfrau Olympia wird, von der Popsängerin Amy Winehouse, die sich in der schwindsüchtigen Sängerin Antonia inkarniert, von einer Art Marlene Dietrich, die ihm zur Kurtisane Giulietta wird. Leider landet unser trunkener Bildhauer im Finale bei einer ach so biederen Muse, und aus ist der Traum von den Damen aus Film, Show und Malerei.
All dies wird routiniert und manchmal auch witzig und manchmal auch langweilig in Szene gesetzt. Da trippelt die Botticelli Venus auf dem Laufsteg wie ein Mannequin herein, da trifft die Popsängerin bei ihrem letzten Auftritt der Schlag, da tritt Giulietta gleich mit drei Doppelgängerinnen auf, da macht der Bösewicht im Olympia Akt den Doktor Frankenstein, und der Chor macht auf ausgeflippte Partygesellschaft.
Doch obwohl so schön und so sentimental gesungen wird und wir alle die Ohrwürmer kennen, will der Funke nicht so recht überspringen, bleibt das Publikum bis zum obligatorischen Schlussapplaus recht reserviert. Und dann gibt es noch etwas eher Ärgerliches am Schluss. In den Beifall hinein verkündet die Abendspielleiterin, dass sie mit zwei Sängerinnen (letztere noch in Kostüm und Maske) gleich an der Treppe stünde und man doch bitteschön für Flüchtlinge spenden solle.
Man merkt die Absicht, und man ist verstimmt. Ist es für so manche, zweifellos wohlmeinende Theaterleute denn wirklich so schwer zu begreifen, dass das Theater und das Leben da draußen und hier im konkreten Fall, dass Kunst und Caritas zwei verschiedene Dinge sind. Für das Soziale ist die Caritas, für die Kunst der Künstler zuständig. Künstler bleib bei der Kunst! „Musik ist heilige Kunst […]“ – so singt begeistert und begeisternd der Komponist in der Ariadne auf Naxos.
Wir sahen die Aufführung am 3. Dezember 2015. Die Premiere war am 28. November 2015.