Kein lieto fine für Ariane auf der Baustelle in Naxos. Eine veristische Ariadne auf Naxos an der Opéra Bastille

Eine seltsam verfremdete, aktualisierte Variante des Ariadne Mythos ist in der Bastille zu sehen. Eine Inszenierung, die „Vorspiel“ und „Nachspiel“ radikal trennt und aus der Strauss und Hofmannsthal Oper zwei Stücke macht, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben.  Mit dem „Vorspiel“ macht man sich nicht sonderlich viel Mühe: konventionelles Theater auf dem Theater, bei dem die Regie  weder Witz noch Einfälle verschwendet. Wir sind im  Palais eines reichen Herrn zur Winterzeit. Die Komödianten fahren vor und veranstalten vor der Tür wohl zum Aufwärmen eine Schneeballschlacht. Das war auch schon der einzige Gag. Zumindest ist mir sonst nichts Besonderes in Erinnerung geblieben. Es sei denn, man hält den Hinweis auf das Bajuwarische – das Personal trägt bayerische Lederhosen – für besonders gelungen.

Anders als beim „Vorspiel“ verfügt die  Regie im „Nachspiel“  über eine Grundkonzeption. Nach der langen Pause gibt es keine opera seria und erst recht keine Parodie einer opera seria, wie man vielleicht erwarten könnte, sondern eine veristische Oper. Bühnenbild und Kostüme lassen keinen anderen Schluss zu. Aus der „wüsten Insel“ ist ein Platz mit halbfertigen Betonbauten – eine verlassene Baustelle nahe am Strand irgendwo am Mittelmeer geworden. Ariadne, eine Dame mittleren Alters, von  Bühnenerscheinung , Kostüm und Haartracht eher eine nordische Touristin, die wohl in diesem tristen Ort sitzen gelassen worden ist, schläft und träumt auf der halbfertigen Terrasse einer dieser Bauruinen. Drei einfach gekleidete  Frauen (bei Strauss Najade, Dryade und Echo), hier offensichtlich mitleidige Dorfbewohnerinnen, stellen ihr  etwas zu essen hin. Eine kleine Gruppe von Touristen in Strandkleidung (bei Strauss Zerbinetta und ihre Partner) klettern zwischen den Bauruinen herum und versuchen die depressive todessüchtige große Blonde im halb zerrissenen schwarzen Kleid aufzuheitern. „Es ist alles vergebens“  – wie wir noch aus anderen Aufführungen wissen.

Erst mit der Bacchus  Szene verlässt die Regie die veristische, die ‚realistische‘ Ebene, ändert die Grundkonzeption  und setzt auf den Traumdiskurs.  Das Erscheinen des Bacchus ist ein Traum, ein Fiebertraum der sterbenden Ariadne. Eine Traumvision, die sich in Nichts auflöst. Bacchus bringt nicht Befreiung und Rausch, wie es die klassische Variante des Mythos will, sondern den Tod. Die verheißungsvollen Worte: „Ich sage dir, nun hebt sich erst das Leben an für Dich […]“  verkehrt die Regie ins Gegenteil. Mit anderen Worten: sie präsentiert eine radikale Umkehrung des Mythos.

Doch nicht die Inszenierung, mag sie im „Nachspiel“ auch durchaus stringent und überzeugend sein, ist das Besondere an dieser Ariadne in Paris. In der Bastille verfügt man offensichtlich über die Mittel, die großen Opernstars zu engagieren. So waren denn mit Sophie Koch in der Rolle des Komponisten, mit Klaus Florian Vogt als Bacchus und Karita Mattila als Ariadne herausragende Stimmen der internationalen Opernszene zu hören. Wenn man so will: ein Sängerfest in Paris.

Wir sahen die Vorstellung am 6. Februar 2015, die 30. Aufführung in dieser Inszenierung. Die Premiere war laut Programmheft im Jahre 2003.