Vater und Sohn gefangen in der Endlosschleife. Und Ilia kriegt ihr Bambino zur Ballettmusik. Und Maestro Jacobs lächelt. Idomeneo am Theater an der Wien

Und der Maestro hat allen Grund zu lächeln. Das Freiburger  Barockorchester spielt wie gewohnt auf hohem Niveau. Auf der Bühne singt und agiert ein glänzend aufgelegtes Ensemble. Ein junger Regiestar wagt eine neue Deutung. Die Kritik lobt einhellig den Wiener Idomeneo. Ein großer Opernabend.  Und doch?

Ich bin der Ästhetik der Hässlichkeit überdrüssig. Ich mag keinen Trash mehr auf der Bühne. Und von beidem gibt es hier im Idomeneo  im Überfluss. Und dies, blickt man allein auf das Libretto, wohl auch zu Recht: der Krieg mit seinem langjährigen Gemetzel ist vorüber. Von den Soldaten, die einst mit Idomeneo gen Troja zogen, sind nur noch die abgenutzten Schuhe und Stiefel übrig, die die ganze Szene bedecken. Der König, ein gebrochener traumatisierter Mann, von sadistischen Albträumen und Aggressionen gegen seinen Sohn gequält, wird auf einem Klinikbett hereingefahren. Kreter wie Trojaner sind gleich zerlumpt und vegetieren inmitten der Schuh- und Stiefelwüste. Einzig Elektra ist von all dem Chaos unberührt, stolziert als Modepüppchen herum, malträtiert die schwangere Ilia, versucht , wenn es schon mit dem Sohn nicht klappen will, den Vater zu umgarnen und scheut auch nicht davor zurück, diesem das Hackebeil in die Hand zu drücken, mit dem er seinen Sohn erschlagen soll.  Zum Ausgleich dafür darf sie sich zu ihrer Wahnsinnsarie im Bühnenschlamm wälzen, und alle schauen konsterniert zu.

Ein krudes Geschehen, ein krudes Szenarium, das nicht so recht zu der so sublimen Musik passen will. Aber vielleicht orientieren sich Maestro Jacobs und Theatermacher Michieletto auch nur an der so hehren romantischen Ästhetik des Kontrasts zwischen Sublimem und Groteskem, zwischen Schönheit und Hässlichkeit, eine  Konzeption, die vor Jahren schon Harnoncourt und Kusej bei ihrer Salzburger La Clemenza di Tito und bei ihrer Zürcher Zauberflöte zu beiderseitigem Nutzen  propagierten: auf der Bühne der höchst kunsthandwerklich angerührte Trash. Aus  dem Graben der  höchst kunstvoll zelebrierte Zauber der Musik, ein Zauber, der umso größer ist, je mehr er im Kontrast zum Trash steht.

Doch Trash und Krieg sind nur die eine Seite, die die Regie betont. Vielleicht  auch nur die vordergründige. Im Zentrum des Geschehens steht für sie der Vater-Sohn Konflikt: der ewige Kreislauf von Herrschaft, Ablösung und neuer Herrschaft. Von dieser Grundkonzeption her erklärt sich auch die scheinbar so befremdliche Erscheinung einer schwangeren Ilia. Zur Ouvertüre schaut das Kind Idamante  zum drohend-dominanten Vater auf. Im Finale  beerdigt der Sohn den Vater: er schüttet ihn mit Erde und Dreck zu. Zur anschließenden Ballettmusik darf  er Ilias Neugeborenen auf den Arm nehmen. Ein neuer Vater. Ein neuer Sohn. Und das ewige Spiel von Macht und Ablösung und  neuer Herrschaft kann von neuem beginnen. Die gebärfreudige Frau war rechtzeitig zur Stelle.

Man braucht an der flachen tiefenpsychologischen Deutung oder an den impliziten Verweisen auf ein dominantes Thema der Literatur des 18. Jahrhunderts, wie sie die Regie anbietet, keinen Gefallen zu finden. Man muss auch nicht unbedingt den so ausgiebig servierten Trash mögen und der opera seria nachtrauern. Lassen wir all diese persönlichen Einwände beiseite. Gestehen wir einfach zu, dass im Theater an der Wien  ein musikalisch und szenisch herausragender Idomeneo zu hören und zu sehen ist.

Wir sahen die Aufführung am 15. November. Die Premiere war am 13. November 2013.