Der erste Eindruck ist überraschend, wenn nicht befremdend: kein Orchestergraben, keine Guckkastenbühne. Spielfläche für alle drei Akte ist ein leicht ansteigender breiter Halbkreis (aus Brettern, ja wir wissen schon, die die Welt bedeuten). Zur Rechten, etwas zurückgesetzt, das Orchester, das ’sichtbare Orchester‘. Über der Spielfläche, nahe beim Orchester, ein schmaler vertikal ausgerichteter Betonpfeiler, der die Bühne in Richtung Zuschauerraum überspannt und in einer scharfen Spitze endet. Am Fuße des Pfeilers ein Häuschen. Und wenn im Finale des ersten Akts das Häuschen in Flammen aufgeht und Hundings ( mongolischer?) Spieß, den er bei seinem ersten Auftritt machtvoll in den Boden gerammt hatte, kläglich zusammenfällt, ja dann haben wir alle im Publikum, ob Freudianer oder Nichtfreudianer, die simple Symbolik verstanden. Und das gleiche gilt, wenn im Finale des zweiten Akts der Pfeiler sich an der Basis in zwei weit in den Bühnenhimmel aufragende Lanzen aufspaltet. Die Waffensymbolik ist halt seit Urzeiten martialisch und erotisch besetzt.
Die Inszenierung, so schick-modern sie sich auch von der Bühneneinrichtung her gibt, stellt keine hohen Ansprüche, weder an sich selbst noch an das Publikum. Sie will nicht die Welt erklären, sie braucht praktisch keine Requisiten, sie setzt auf die Bewegungsregie, lässt die Sänger auf der relativ großen Spielfläche nahe am Publikum singen und agieren – und fasziniert doch mit dieser so wenig anspruchsvollen Konzeption, ja weiß im dritten Akt sogar noch zu verblüffen (oder vielleicht auch nur unfreiwillig die Komik zu streifen), wenn sie die Walküren mit schwarzen Flügeln ausstaffiert und sie eine Art schwarzes Schwanenseeballett hinlegen lässt. Schade nur, dass die Bühneneinrichtung so gar nicht zu dem konventionellen Mischmasch der Kostüme passen will. Da kommen Siegmund und Sieglinde als abgerissene Clochards daher, Hunding als mongolischer Krieger mit Krummschwert, das restliche Personal ist wohl einem Fantasyfilm entlaufen.
Doch lassen wir Kostüme, Bühne und Regiekonzeption, wenn es denn eine gab, auf sich beruhen. Im Amsterdamer Musiktheater wird unter der Leitung von Maestro Hartmut Haenchen so brillant, so phantastisch gesungen und musiziert, dass alles übrige sekundär ist, im Wortverstande zur quantité négligeable wird.
Ein ungewöhnlich gelungener Wagnerabend, an dem es, was Orchesterklang und Gesang angeht, nichts zu bekritteln gibt. Wenn es sich nicht so abgegriffen und so pathetisch anhörte, könnte man auch sagen: ein rauschhafter Wagnerabend mit einer mehr als herausragenden Besetzung.
Wir sahen die Aufführung am 20. April, die erste Vorstellung des jetzigen Zyklus. Die Premiere war am 31. Januar 1998.