Der Frankfurter Lohengrin, der vor knapp vier Jahren Premiere hatte und der es in all den Jahren auf gerade Mal neun Aufführungen brachte, wurde damals sehr gelobt – so steht es im neuesten Magazin der Oper. Das mag, was den Musik Part angeht, wohl auch seine Berechtigung gehabt haben und gilt -vielleicht mit gewissen Einschränkungen – auch für die Wiederaufnahme. Zweifellos sind alle Rollen hochkarätig besetzt. Camilla Nylund, die wir in den vergangenen Jahren schon so viele Male als Elsa oder Elisabeth gehört haben, ist noch immer eine in Spiel und Gesang berührende Elsa und nicht zuletzt auch als Bühnenerscheinung geradezu die ideale Besetzung. Michael König, um aus dem Ensemble der brillanten Sängerdarsteller noch den Protagonisten zu nennen, hat es bei den Wagnerianern, die zuletzt Vogt und Kaufmann als Lohengrin gehört und gesehen haben, schwer. Und wenn ihn die Regie wie jetzt in Frankfurt noch zum halbdebilen Tollpatsch macht, dann hat er es noch schwerer – und beeindruckt doch mit seiner so schönen und klaren Stimme.
Und trotz alle dem wollte sich den ganzen Abend über kein Wagner-Zauber einstellen, war von “ der ungeheuren Klangfarbenpracht, die Wagner aufbietet“ (Bernd Loebe im Magazin März/ April 2013) kaum etwas zu merken. Ich maße mir kein Urteil an. Doch, mit Verlaub gesagt, manches was da aus dem Graben erklang, schien mir wie ein undifferenzierter Brei.
Oder lag es ausschließlich an der Inszenierung, dass man mit eher gemischten Gefühlen nach Hause ging? – einer Inszenierung, die gezielt alles ‚Romantische‘ in einer „romantischen Oper“ zerstörte.
Dass die Heroen des Regietheaters es durchweg darauf anlegen, den Lohengrin-Mythos zu erledigen, das kann man in München, in Berlin, in Milano beobachten. Für die einen ist Lohengrin ein bayerischer Zimmermann, den die Häuslebauerin Elsa vergrault und der, bevor er verschwindet, das Häusle anzündet. Für andere ist er ein Todesengel inmitten von Untoten, und für wieder andere ist er ein Schwächling auf dem preußischen Kasernenhof, den die Soldaten für einen Märchenerzähler halten und tot schlagen. Degradierung des Mythischen, Banalisierung des Märchenhaften, Reduzierung des Erhabenen auf simple Alltagsbedürfnisse – eine Regiekonzeption, auf die man allerorten trifft.
Und jetzt in Frankfurt? Da sind wir in einem herunter gekommenen Kinosaal aus der frühen Nachkriegszeit: eine kleine blonde Frau aus einfachen Verhältnissen, der die Eisverkäuferin kurz vor Beginn der Vorstellung das Brüderchen entführt, wird von einem älteren Herrn ( in Maske und Kostüm eines ehemaligen Parteigenossen) des Brudermords beschuldigt, und die Kinobesucher wollen diese daraufhin gleich aufhängen. Glücklicherweise rettet sie ( in ihrer Imagination) der Leinwandheld, ein tollpatschiger Bär, kein Strahlemann, der konsequenterweise im Finale des Films wieder verschwindet und für uns Zuschauer die bekannten Weisen aus dem Off singt. Und während alle übrigen Bühnenfiguren auf eine imaginäre Leinwand starren, bringt der Oberhausmeister ( bei Wagner der Heerrufer des Königs) den verlorenen Knaben wieder her, der sich auch brav auf den freien Platz neben seine große Schwester setzt – und alles ist gut. Elsa durfte sich eine Kinoaufführung lang mit einer Kinofigur identifizieren und sich als Braut eines Kinohelden sehen. Eine Variante der schon topischen Regiekonzeption von der träumenden Elsa, die alles Geschehen in ihrer ausschweifenden Imagination erfährt. Wie dem auch sei. Ein bisschen billig kam mir das Ganze doch schon vor.
Wir sahen die Aufführung am 29. März 2013. Die Premiere war am 3. Mai 2009.