Das Libretto – so ließ der berühmte, stets für ein Quentchen Theaterskandal aufgeschlossene Regisseur schon zur Probenzeit die ihm wohl ehrfürchtig Lauschenden wissen, das Libretto fände er „doof“ und deswegen habe er ein neues verfasst. Mit Verlaub, hoch geschätzter Theatermann, so wäre im selben platten Jargon zu antworten, Ihr Libretto finde ich oberdoof. Sie haben aus einer Buffa einen langweiligen Schmarren gemacht.
Auch wenn man Ihre Kalauer, Ihre Freud-Albernheiten, Ihre Zauberflöte-Anleihen, Ihre Verweise auf die Illusionsmaschine des Barocktheaters, Ihr halbseniles adliges Paar, das sich an der Beobachtung erotischer Mechanismen verlustiert, Ihre Metatheater-Einlagen („Ich fand den Herren ohnmächtig in der Kulisse, er sagte, er hieße Ramiro“ – “ Entschuldigen Sie, wir müssen umbauen“.), auch wenn man dies alles wohlwollend als postmoderne Ironie versteht, dann hat diese Postmoderne schon reichlich Patina angesetzt und produziert nicht Lachen, sondern Gähnen. Mir bleibt unerfindlich, dass der renommierte Theatermacher Neuenfels ‚verdrängen‘ konnte, dass das 18. Jahrhundert die ‚Hochzeit‘ der Liebesdiskurse ist, die Zeit, in der lustvoll mit der Liebe experimentiert wird, in Theater und Oper die Liebesdiskurse in allen ihren Varianten sozusagen durchdekliniert wurden – zum Vergnügen und zum Ergötzen des Publikums, das diese Diskurse kannte. Nichts anderes tut der von Ihnen so gering geschätzte, von Ihnen für „doof“ erklärte Librettist der Finta Giardiniera.
Ja nun, unser Theatermann hält sich halt für den besseren Dichter und in Sachen Amore für den kompetenteren. Immerhin haben wir von ihm erfahren, dass zwei Personen des Stücks keine heterosexuellen Neigungen haben: Don Ramiro ist eine latente Lesbe und der Podestà homosexuell.
„Bilde Künstler! Rede nicht“!- so ließ sich einst ein bekannter Weimarer Literat vernehmen. Inszeniere Künstler! Schwatze nicht! So könnte man Goethes Bemerkung variieren und auf unseren Theatermacher münzen.
Wie schade, dass Neuenfels, dessen Stuttgarter Entführung, dessen Essener Tannhäuser, dessen Münchner Medea mich begeistert haben, wie schade doch, dass unser Theatermacher glaubte, unter die Librettisten gehen zu müssen und dabei als Dichter und als Regisseur abstürzte. Man kann halt nicht immer genialisch sein. Manchmal reicht’s eben nur zum Flop. Aber vielleicht hat der große Theatermann sich auch nur einen Spaß machen wollen und dem geduldigen Berliner Publikum die Parodie einer Meisterklasse für aufstrebende Dramaturgen und ehrgeizige Jungregisseure vorgeführt. Zuzutrauen wäre ihm schon dieser Gag.
Wir sahen die Aufführung am 8. Dezember, die vierte Vorstellung. Die Premiere war am 24. November 2012.