Schwarzer Humor in der Operette. Die Oper Frankfurt gräbt einen Hit der Belle-Époque wieder aus: Emmanuel Chabrier, L’Étoile. Opéra bouffe in drei Akten
Es muss ja nicht immer Offenbach sein. Aber die Leichtigkeit, die Raffinesse, die Eleganz und den Witz eines Offenbach, die sollten Musik und Libretto schon haben, wenn wir eine opéra bouffe herausbringen. So mag man in Frankfurt gedacht haben, als man sich entschloss, Chabriers in seiner Zeit so erfolgreiche opéra bouffe in Szene zu setzen. Und mit L’Étoile (Uraufführung 1877) hat man eine exzellente Wahl getroffen. Da findet sich alles, was eine Bouffe ausmacht:
witzige Auftrittslieder, mit denen sich die Akteure dem Publikum gleichsam vorstellen, leicht ironisierte Romanzen, Humoresken, ein parodistisch angelegter Kurztrauermarsch, Finalszenen als Parodie auf die entsprechenden Finali der Grand Opéra, Balletteinlagen bis hin zum (allerdings etwas schüchternen) Cancan. Zu alledem eine Handlung voller Irrsinn, Nonsens, schwarzem Humor. Und natürlich gibt es, wie es sich für eine Operette gehört, ein ‚lieto fine‘: der König darf putzmunter wieder aus dem schwarzen Sarg klettern, obwohl ihm doch sein Hofastrologe ein baldiges Ende prophezeit hat, sollte der junge Straßenhändler zu Tode kommen, den der leicht senile, zu plötzlichen Gewaltausbrüchen neigende Herrscher eigentlich für ein Hinrichtungsgaudi vorgesehen hatte. Der schöne androgyne Jüngling wird – Gott sei Dank – nicht „gespießt und dann gehangen“. Er säuft auch nicht ab, nein, er kriegt die Prinzessin und sie ihn. Die Hofdame darf den ungeliebten Ehemann erschießen und den Sekretär nehmen. Der König darf weiter einen Hinrichtungskandidaten suchen, der Astrologe darf weiter seinen grotesken Leib füttern und sich mit dem König betrinken usw. usw. Bei so viel Nonsens glauben auch die literarisch beschlagenen Frankfurter Dramaturgen mitmachen zu müssen und verweisen in diesem Zusammenhang auf Alfred Jarrys schwarze Komödie Ubu Roi und auf Feydeaus Theaterstücke. Wohlfeile Hinweise, die allerdings nicht unbedingt ins Schwarze treffen. Nicht nur, dass der König Ubu an die zwanzig Jahre später als L‘Étoile aufgeführt wurde. Chabriers Figuren sind keine grausam- grotesken Marionetten im Stile Jarrys, sondern bei aller Groteske doch nur ‚Operettenfiguren‘. Und Feydeau erzählt Geschichten aus dem ‚bürgerlichen Heldenleben‘ und nicht wie die Librettisten Chabriers Märchen (wenn auch in französischer Verkleidung) aus Tausendundeiner Nacht. „Allein, was tut’s“.
Natürlich funktioniert eine opéra bouffe nur, wenn wie jetzt in Frankfurt ein Ensemble komödiantisch begabter, hoch motivierter Sängerschauspieler singt und agiert und wenn ein routinierter Theatermacher wie David Alden das Ganze in Szene setzt. Für Alden, der vor ein paar Jahren in München Cavallis Karnevalsoper La Calisto als große Revue herausgebracht hatte, ist die Inszenierung einer opéra bouffe offensichtlich nur so etwas wie eine leichte Fingerübung. Da kann er gar nichts falsch machen, und der Erfolg stellt sich (scheinbar) von selber ein.
Wir sahen die Aufführung am 9. November, die fünfte Vorstellung nach der Premiere am 2. Oktober 2011. Wer diese Art der gekonnt präsentierten französisch sprechenden leichten Muse mag, der sollte sich die Frankfurter Rarität nicht entgehen lassen.