Belcanto mit Modenschau. I Capuleti e i Montecchi an der Bayerischen Staatsoper
Für Bellinis Belcanto Opern braucht man eigentlich nur zwei oder drei herausragende brillante Sänger. Und dann kann schon nichts mehr schief gehen. Bei Bellinis reduzierter Variante des Romeo und Julia Mythos tun es sogar zwei: eine Mezzosopranistin, die sich auf lyrisches und zugleich dramatisches Singen versteht, für die Partie des Romeo und ein sanfter lyrischer Sopran für die Rolle der Julia. In München gehören solch herausragende Sängerinnen, wie sie Bellini verlangt, zum Ensemble. Ideale Voraussetzungen für einen großen Belcanto Abend. Und diesen bot auch die Münchner Oper – und zugleich präsentierte sie (nein, nicht im Zuschauerraum, sondern auf der Bühne) eine Haute Couture Show. Modeschöpfer Christian Lacroix – im Nebenberuf auch für die Bühne tätig – , der sich bei dem grauschwarzen Biedermeierdress, den er den Herren zugesteht, noch in Zurückhaltung übt, schwelgt bei den Damen geradezu in Farben und teuren Stoffen, kleidet die Choristinnen in verschwenderisch prachtvolle bunte Abendroben und lässt sie zu Beginn des zweiten Akts auch noch einzeln wie die Mannequins über eine große Treppe schreiten – zur Freude der modebewussten Damen im Publikum. Die arme Giulietta hingegen staffiert er zum naiven Rauschgoldengelchen aus, das bei seiner Romanze im ersten Akt zur Abkühlung des Liebesfeuers auf ein Waschbecken klettern muss („Un refrigerio ai venti / io chiedo invano“) und das zu Beginn des zweiten Akts mit seinen nackten Beinchen ganz einsam auf der Vorderbühne steht und so rührend schön und traurig singt, dass sogar der unruhige Jungmann, der vor mir saß und dem es bei der Romeo und Julia Geschichte wohl unbehaglich wurde, einen Augenblick der Ruhe fand. Zum Inszenierungskonzept, wenn es denn eines gab, ist nicht viel zu sagen. ‚Liebe als Passion’ in einer vollkommen abgeschlossenen Biedermeierwelt, aus der es keinen Ausweg gibt und die zwangsläufig im romantischen Liebestod enden muss, in einem verklärenden Liebestod, fern aller ‚Realität’, fern von jeglichem zuckrigen Pathos. War es das? ‚Allein was tut’s’. Bei Bellini und seinem Belcanto sind Dekor, Kostüme und Regie letztlich doch nur eine quantité negligeable, wenn nur ‚schön’ gesungen wird. Und ‚schön’ gesungen wurde allemal. Wir sahen die Aufführung am 30. März, die zweite Vorstellung nach der Premiere am 27. März 2011.
Nachtrag vom 9. April. Ich war heute Abend noch einmal bei Romeo und Giulietta – und war begeistert. Das Münchner Liebespaar, zwei schmächtige junge Sängerinnen (Tara Erraught und Eri Nakamura), singt so überragend ‚schön’, spielt den narzisstischen Liebeswahn so rührend schön, wirkt auch in seinem Outfit so rührend naiv, dass das Publikum geradezu verzaubert ist. Und auch die Inszenierung gewinnt beim zweiten Sehn. Sie setzt – anders als es der erste Eindruck nahe legt – auf eine konsequente Ästhetisierung und geradezu manieristische Stilisierung von Geschehen und Ambiente, transponiert die Handlung in eine unbestimmte Biedermeierwelt, verzichtet zu Gunsten von Tableaux Vivants auf jeglichen Bezug auf eine wie auch immer geartete ‚Realität’. In Schönheit lieben und sterben – vielleicht ist dies das Motto der Münchner Bel Canto Inszenierung. Kitsch? In jedem Fall ein schöner Kitsch