Ein faschistischer Sommernachtstraum ohne lieto fine – La Finta Giardiniera im Theater an der Wien

Mozarts frühes dramma giocoso  habe ich schon so viele Male gehört und gesehen. In Düsseldorf, in der Deutschen Oper am Rhein, hat mich Christof Loys inzwischen wohl schon legendäre Inszenierung immer wieder begeistert. In Zürich haben vor ein paar Jahren Moretti  und Harnoncourt mit großem Erfolg eine  Finta Giardiniera  voller Witz und Ironie präsentiert – und mich nicht minder begeistert. So waren jetzt im Theater an der Wien die Erwartungen  hoch – und die Enttäuschung war entsprechend groß. Ich bin eigentlich ein Fan von David  Alden und René Jacobs.  Doch die Helden, so schien es mir jetzt im Theater an der Wien, sind ein wenig in die Jahre gekommen, wirken müde und routiniert, um nicht zu sagen, lustlos und lahm. Was der Maestro mit seinem Freiburger Barockorchester bot, das mag zwar die Feuilletonkritiker begeistert haben. Mir als simple Dilettantin hat dieser undifferenzierte Einheitsbrei, der da durchweg zubereitet wurde, überhaupt nicht gefallen. Von der Leichtigkeit und Differenziertheit, die im Züricher Opernhaus Harnoncourt aus der Musik hervorzuzaubern wusste (ganz zu schweigen von Witz und Ironie), von all dem ist im Theater an der Wien  kaum etwas zu hören –  und auf der Bühne wenig zu sehen. David Alden, dessen brillante Händel Inszenierungen in München  einstens Furore machten, kann mit dem kammerspielartigen Ambiente, mit dem Liebeskarussell, besser gesagt: mit dem Labyrinth der Liebesdiskurse, mit dem der junge Mozart und sein Librettist in der Finta Giardiniera spielen, seltsamerweise nur wenig anfangen. Seine Inszenierung wirkt uneinheitlich, um nicht zu sagen, konzeptionslos. Ein Albtraum von der Entjungferung im Palazzo Mussolinis – der Podestà tritt in der Duce Maske auf –  war es das? Oder ist der Mussolini Palast vielleicht ein antikes Bordell in Pompeji oder eine Luxus Bar in Las Vegas? Die rot gefärbten Wände mit ihrem Reigen der nackten Tänzerinnen weisen in diese Richtung. War es das? Ein Verwirrspiel, in dem der psychisch Gestörte Contino Belfiore gleich ganz um seinen Verstand gebracht wird, die Marchesa aus ihrem Wahn überhaupt nicht mehr aufwacht und  als Irre endet. War es das? Eine Melange aus Mussolini, Freud, Sommernachtstraum und ein bisschen commedia dell’arte (das Outfit der Akteure im Finale deutet in diese Richtung). War es das?  Von all dem intermedialen Feuerwerk der Einfälle, das mich in Aldens Münchner Händel Inszenierungen immer wieder von neuem fasziniert hat, war bei dieser Finta Giardiniera kaum etwas zu sehen. Aber immerhin sang und spielte Sophie Karthäuser eine rührende Marchesa Violante. Ansonsten trotz großer Namen ein enttäuschender Abend im Theater an der Wien. Wir sahen die vorletzte Vorstellung am 20. November. Die Premiere war am 12. November 2010.