In Nürnberg hat man einen frühen Donizetti ausgegraben, ein dramma semi-serio vom Jahre 1824 – und die Belcanto Fans kommen zumindest teilweise auf ihre Kosten. Zwar ist Emilia bei weitem noch keine Lucia oder eine Norina. Aber bei der Mischung aus Buffa- und (beinahe) tragischen Szenen, die ein anonymer Librettist für den jungen Donizetti hergerichtet hat, war das auch gar nicht zu erwarten. Schön – ganz im Sinne des Belcanto – singt die Nürnberger Primadonna (Hrachuhí Bassénz) allemal und wenn dann noch dazu die Buffo Partien glänzend besetzt sind, dann sind eigentlich schon die meisten Voraussetzungen für einen vergnüglichen Donizetti Abend gegeben. Und die Inszenierung? Eine eifrige Dramaturgin muss dem Regieteam wohl souffliert haben, dass Donizettis Damen psychisch gestört seien und dass auch schon die kleine Emilia, die mit ihrem Liebhaber durchgebrannt und von diesem sitzen gelassen worden war – so die Vorgeschichte – vom Wahnsinn geschlagen sei. Leidet sie doch noch dazu an dem Trauma, mit ihrer Flucht der Mamma das Herz gebrochen zu haben. Das seien halt die Nachtseiten der Romantik (vulgo: „schwarze Romantik“), und in dieser sei das Motiv des Wahnsinns ein häufiges Motiv. Und da hat die Dramaturgin ja auch nicht so ganz Unrecht. Zum Glück für die Inszenierung hat das Regieteam nicht zu sehr auf die literarisch beschlagene Dramaturgin gehört und nicht die „schwarze Romantik“ in Szene gesetzt, sondern sich darauf besonnen, dass Donizettis Oper eine semi-seria ist und dass dem entsprechend das Motiv des Wahnsinns spielerisch, komödiantisch einzusetzen ist. So versetzt sie denn das krude Geschehen um Emilia und ihre beiden Liebhaber (der eine ist entsprungen, den anderen hat sie versetzt, und beide sind auf einmal wieder da) in ein Irrenhaus und lässt die Irrenhausärztin Personen und Handlung manipulieren. Ein Einfall, der nicht gerade originell ist (man kennt halt den Peter Weiss und seine Adepten). Aber immerhin gibt er Gelegenheit, allerlei Schabernack zu veranstalten. Da werden die Streithansels in Zwangsjacken gesteckt, da dürfen die Traumata auf der Couch erzählt werden, da klappern die Irren mit den Essgeschirren, da werden Beruhigungsspritzen verabreicht, da nimmt die Ärztin den sich Streitenden einfach die Pistolen weg und drückt ihnen Zettel mit Versöhnungssprüchen in die Hand usw. Mit dem Irrenhaus als Ort der Handlung, mit der Transformation der Figuren in Irre oder sagen wir einfacher: mit dem Komödienstadel als Grundkonzept gibt sich die Regie indes nicht zufrieden. Der Komödienstadel ist zugleich eine Art Hitchcock Film: ein einsames englisches Landhaus, Personen, die durch einen Zufall (hier durch ein Unwetter nebst Autounfall) wieder zusammentreffen und die allesamt eine Rechnung miteinander offen stehen haben und damit ein Motiv, aufeinander los zu gehen. Und wie es sich für einen solchen Film gehört, geistert der Meister hin und wieder selber durch die Szene und schaut nach dem Rechten, und die obligatorischen ‚Vögel’ fehlen auch nicht. Die geduldige Opernbesucherin, die als Donizetti Verehrerin vor allem auf die Musik neugierig ist und die sich ob des hybriden Spektakels meist amüsiert und nur selten langweilt, fragt sich indes, ob so viel szenischer Aufwand und so viel Klamauk der Musik wirklich gut tun. Wie dem auch sei. Das Staatstheater bietet einen unterhaltsamen Abend und serviert eine Musik, die man zuvor noch nie gehört hatte. Schade, dass es in Nürnberg so wenige Donizetti Verehrer gibt. Ein engagiertes Ensemble spielte vor nur schwach besetztem Hause. Wir sahen die Aufführung am 4. Mai 2010. Die Premiere, eine „deutsche Erstaufführung“, war am 27. März 2010.