Leni Riefenstahl inszeniert Wagner – Das Rheingold an der Opéra Bastille
Seit mehr als fünfzig Jahren, so liest man im Programmheft, gab es in Paris keinen kompletten Ring mehr zu sehen und zu hören. In diesem Frühjahr haben Philippe Jordan und Günter Krämer damit begonnen, die französischen Wagnerianer von dieser Malaise zu erlösen. Im Sommer soll noch Die Walküre gegeben werden, und den Rest, den gibt es dann im nächsten Jahr. Ob der berühmte Dirigent und der nicht minder renommierte Theatermann die Pariser Ring Misere beheben werden? Ich habe da meine Zweifel. Zwar lobt das deutsche Feuilleton, in diesem konkreten Fall, die Süddeutsche Zeitung, das Pariser Rheingold über alle Maßen und bejubelt geradezu den musikalischen Part. Doch mit Verlaub gesagt: was da aus dem Orchestergraben erklang, das war nicht unbedingt ein rauschhafter Wagner. Das muss es ja auch nicht sein. Doch schlapp und müde, so klang sie zumindest manchmal, sollte sich die Musik nun auch nicht dahin ziehen. Und einem großen Wagner Abend war es auch nicht gerade zuträglich, dass manch große Stimme in dem überdimensionierten Pariser Haus hin und wieder zum kaum hörbaren Stimmchen wurde. Als Dilettantin maße ich mir kein Urteil an. Ich kann nur sagen, dass ich mich manchmal gelangweilt habe, eine Empfindung, die sich beim WOOiener Ring, den ich im vorigen Jahr gehört und gesehen habe, nicht einen Augenblick lang eingestellt hat. Aber vielleicht täuscht auch der Eindruck. In dem riesigen Haus – wir saßen in der 24. Reihe – ist der unmittelbare Kontakt zu Bühne und Orchester nicht leicht zu gewinnen. Und die Inszenierung? Ich gehöre eigentlich zu den Krämer Fans und bewundere, um nur zwei Beispiele zu nennen, seinen Kölner Rosenkavalier und seinen Salzburger Mitridate. Doch das Pasticcio aus Leni Riefenstahl, Fritz Lang, Eisenstein, Chaplin und als Zutat Fragonards Schaukel im ersten Bild, zu dem das Rheingold in Paris wird, das ist nicht unbedingt ein großer Wurf. Natürlich ist es spektakulär, wenn die Götter und ihr Gefolge zu Leni Riefenstahl Sportlern werden, wenn das Schlussbild an Sportfeiern im Olympiastadion in unseliger Zeit erinnert, wenn zum Streit der Götter mit den Riesen deren Arbeiter rote Fahnen schwingende proletarische Massen, die schon mal die Revolution proben, mimen. Nicht minder spektakulär ist es, wenn Alberichs Nibelungen geknechtete und ausgebeutete Massen sind, die einem Fritz Lang Film oder meinetwegen einer Germinal Verfilmung entlaufen sind, wenn Wotan auf der Erdkugel ruht und als ferne Referenz an Chaplins Großen Diktator von der Weltherrschaft träumt und ein Alberich im Unterschichten Outfit oder vielleicht auch in der Lenin Maske dem gleichen Machtrausch verfällt. Doch all die Verweise auf eine faschistische Ästhetik, auf proletarische Mythen, auf die Filmkunst der zwanziger und dreißiger Jahre, auf welchem Grundkonzept, so fragt man sich, basieren sie eigentlich. Sollen sie dem französischen Publikum eine doppelte lecture politique des Rings anbieten: Wagner der Revolutionär, ein gescheiterter Revolutionär wie sein machtlüsterner Alberich, wie seine proletarischen Riesen zum einen und Wagner und seine faschistische Rezeption zum anderen? War es das? Mit dieser etwas zu sehr obsoleten Konzeption, wenn es denn seine ist, bleibt Krämer eigentlich unter seinem Niveau. Die spektakulären Szenenfolgen, die ein so routinierter Theatermacher wie Krämer zu produzieren weiß, die trösten indes allemal über eine etwas dürftige Konzeption hinweg. Der Ring in Paris beginnt nicht gerade viel versprechend, wenngleich im ausverkauften Haus nicht an Beifall gespart wurde. Wir sahen am 13. März die dritte Vorstellung. Die Premiere war am 4. März 2010.