Ja, ich weiß, ich habe keine Ahnung, ich bin für Musiker und Theatermacher doch nur die dumme Gans, die brav Hochpreise zahlen und artig Beifall klatschen, im übrigen aber den Mund halten soll. Ich sage es trotzdem: ich kann nicht nachvollziehen, warum die professionelle Kritik im schönen Einklang mit dem Publikum ständig vor Maestro Harnoncourt ehrfurchtsvoll auf die Knie sinkt und selbst den kleinsten ketzerischen Zweifel gleich mit neuer Lobhudelei ummantelt (so zum Beispiel Jürgen Kesting in der FAZ vom 24. Dezember 2009 in seiner Besprechung der neuesten Hagiographie des Dirigenten). Ein bisschen mehr kritische Distanz auch gegenüber einem Halbgott der Musikszene wünschte man sich doch hin und wieder. Ohne Zweifel ist der Maestro ein großer, vielleicht auch ein genialer Musiker, der uns arme Unbedarfte gelehrt hat, vieles Bekannte neu zu hören und manch Unbekanntes erst einmal zu entdecken, und sicher ist er nicht nur der Klassik Zeremonienmeister, sondern auch ein Musiker, der Sinn für Witz und Parodie, für Scherz und Ironie besitzt, wenn er wie vor ein paar Jahren in Zürich La Finta Giardiniera oder jetzt im Theater an der Wien Haydns „dramma giocoso“ von 1777 dirigiert. Als simple Zuhörerin bin ich natürlich zu inkompetent, um die Nuancen zu goutieren. Immerhin merke ich, wenn der Maestro und sein Orchester eine – aus was für Gründen auch immer – verhalten einsetzende Sängerin so zudecken, dass schon in der dritten Reihe des Parketts von der berühmten Arie „Begli occhi vezzosi“ nichts mehr zu hören ist. Das finde ich einfach ärgerlich und rücksichtslos gegenüber der Sängerin. Dies war auch das einzige Ärgernis in einer ansonsten brillanten Aufführung. Wie Tobias Moretti nach einem etwas zögerlichen Beginn mit seinen Sängerschauspielern, allen voran Dietrich Henschel in der Rolle des mondsüchtigen, sprich: theatersüchtigen Buonafede, einen sich immer schneller drehenden Theaterwirbel erzeugt, Komödie in der Komödie spielen lässt, die Akteure sich selber parodieren lässt, Statisterie und Bühnenmaschinerie keine Pause gönnt, das ist einfach Buffa, dramma giocoso, mit einem Wort: Theater auf hohem Niveau, Theater, in dem nicht einen Augenblick Langeweile aufkommt, Theater, das unterhalten will und das doch die Doppelbödigkeit der Komödie: die Zerstörung einer bürgerlichen Existenz durch Wahn, Betrug und Selbstbetrug nicht außer acht lassen will. Im Finale hat der theatersüchtige Möchtegernpatriarch und Bürger Buonafede Identität und Besitz verloren. Die Tore seines Hauses werden vor ihm verschlossen. Über dem Harlekinkostüm, das ihm in der „Welt auf dem Monde“ verpasst wurde, trägt er nun den bürgerlichen Anzug – und gehört keiner der beiden Welten an. Wir sahen die Vorstellung am 22. Dezember, die letzte im Stagione Betrieb. Die Premiere war am 5. Dezember 2009.