Mit den kleinen Häusern, wenngleich sie manchmal Beachtliches leisten, muss man Nachsicht üben – allerdings nur bis zu einer bestimmten Grenze. In Freiburg hat man diese Grenze, sei es aus Unvermögen, sei aus Bequemlichkeit, sei es wegen fehlender Mittel, überschritten und die Salome musikalisch und szenisch erledigt. Oder um es etwas vorsichtiger zu sagen: die Freiburger, die vor ein paar Jahren eine grandiose Lucia auf die Bühne brachten, deren Walküre und deren Siegfried durchaus hörenswert und sehenswert ist, haben mit der Prinzessin Salome kein Glück gehabt. Was da aus dem Orchestergraben klang, das war kein farbiger, dekadenter oder gar rauschhafter Strauss, das war mit Verlaub Gesäusel zum Wunschkonzert am Sonntagnachmittag. Und auf der Bühne? Da hockt ein Struwwelpeter Girl auf der Fernsehcouch, da kommt aus dem Bühnenhintergrund ein gesunder putzmunterer Bademeister, der wohl gerade einen Saunagang hinter sich gebracht hat, da kriechen die übrigen Akteure aus bunten Zelten: Herodes in einer Art Napoleon Outfit, die übrigen Personen in Kostümen, die an einen Empire Verschnitt erinnern. Der Schleiertanz fällt aus. Dafür vergnügen sich – so vermutet es der unbedarfte Zuschauer – das Girl und der Stiefvater, der sich zu diesem Behufe einen Kopfverband angelegt hat, in einem der Zelte. Jochanaan darf seinen Kopf behalten, verliert ihn dann aber wohl im metaphorischen Sinne an Salome, wenn diese den kräftigen Bademeister Propheten zum Finale auf der Fernsehcouch abknutscht. In Freiburg präsentiert man eine Salome Version ohne Eros und Thanatos, ohne Biss und Kuss, ohne Schauder und Ekstase, mit einem Wort: eine Salome für die Kindernachmittagsvorstellung. Die Freiburger haben nicht wie das jüngst im fernen Barcelona ihre dortigen Kollegen taten, Strauss und Wilde kastriert. Sie haben sie einfach zu Kasperlefiguren gemacht und eine Salome produziert, die ein Ärgernis ist und weit unter dem Niveau des Hauses liegt. „Romani ite domum“ – so schreibt eine Figur an die Rückwand im Zeltlager des Herodes. Vielen Dank verehrtes Produktionsteam für die historische Verortung des biblischen Salomestoffes und die Nachhilfestunde im Lateinischen. Ich komme zwar nicht aus Rom. Aber wenn ich nicht mittendrin in Ihrem Haus gesessen hätte, dann wäre ich auch ohne ihre ausdrückliche Aufforderung noch während der Vorstellung nach Hause gegangen. Wir sahen die Aufführung am 18. Dezember 2009. Die Premiere war am laut Programmheft am 3. Oktober 2009.