Das Theater St. Gallen verfügt über ein hochmodernes, Designer schickes Haus und dazu über ein Ensemble von jungen und durchweg überdurchschnittlichen Sängern und Sängerinnen. Eigentlich gute Voraussetzungen für erstklassige Opernproduktionen. Nur bei der Auswahl der Regisseure hat die Intendanz wohl keine glückliche Hand, und so kommen trotz aller sonstigen guten Voraussetzungen leider nur recht biedere Aufführungen zustande. Vor ein paar Jahren sahen wir einen dürftigen Don Giovanni, der auf den Treppen und Fluren eines Gasthauses spielte, das gerade die Maler zur Renovierung bestellt hatte, einen Don Giovanni, der trotz all der Mühe, die sich die Darsteller gaben, mir nur als ein eher peinlicher Abend in Erinnerung bleibt. Jetzt in der Così fan tutte sind wir in einem heruntergekommenen Dorfgasthof gelandet, der von den beiden Schwestern F. und D. zusammen mit der Schankkellnerin Despina geführt wird und in dem ein versoffener Pseudointellektueller namens Alfonso (vielleicht der Lehrer der einklassigen Dorfschule?) gegenüber einer völlig eingeschüchterten Despina den gewalttätigen Macho herauskehrt. Fernando und Guglielmo sind zwei junge Tölpel, die dem Rotwein zugetan sind und da sie offenbar nur wenig vertragen können, stürzen sie sich immer wieder mit großem Getöse zum Abort. Alle zusammen kommen sie gerade vom Friedhof, wo man – noch vor der Ouvertüre – den Papa (?) der Mädels begraben hat. Und jetzt versammelt man sich halt im Gasthaus zum Leichenschmaus, und dabei kommen die beiden Trottel und ihr Freund, der Lehrer, in ihrem schon ziemlich angetrunkenen Zustand auf die absonderliche Idee, mal mit den Weibern zu spielen. Wie das Spielchen so läuft, das wissen wir noch von anderen Inszenierungen. Es gibt halt viel Gaudi und Spaß und Klamauk, wie man das so von anderen (dürftigen) Inszenierungen kennt. Doch im Finale da werden wir wieder ganz ernst, wie wir das von anderen ach so gedankenschweren Inszenierungen kennen: da sind die Betten im oberen Stock zugedeckt, da läuft die kleine Fiordiligi entnervt davon, da fällt der schöne Zwischenvorhang, der eine Hochzeitsszene in Pompeji zitiert, so einfach in sich zusammen. Und wir alle im Publikum haben dank dieser dreifachen Symbolik kapiert, dass es nichts mit der Hochzeit wird, und beim Schlussapplaus, da verstehen wir mit einmal auch die Beerdigungsszene vom Anfang. Nicht der Papa wurde da beerdigt, sondern Amor. Da können Mozart und Da Ponte sich doch einen ganzen Abend alle Mühe geben, die unterschiedlichsten Liebesdiskurse durchzuexerzieren. In St. Gallen da ist die Liebe von Anfang an tot. Schade um die „schöne Musik“. Schade um die vortrefflichen Sänger und Sängerinnen. Sie hätten ein anderes Ambiente verdient. – Wir sahen die Aufführung am 30. September 2009. Die Premiere war am 19. September 2009.