In der Osterzeit spielt man halt Parsifal – wegen des „Karfreitagzauber“? wegen der Erlösungsthematik? wegen der Christusanalogien? wegen der religiösen Versatzstücke? Zu Ostern möchten halt unsere Theatermacher ihrem Publikum eine fromme Wagner-Droge verabreichen, eine Droge, die das gängige Opernpublikum gar nicht so gern schluckt. In Dresden hatte noch das Touristenpublikum die Reihen gefüllt. In Leipzig spielte man vor mehr als schwach besetztem Hause, und nach der ersten Pause lichteten sich die Reihen noch weiter. In Dresden, wäre der musikalische Part nicht so überragend gewesen, hätte man ob der so grässlich langweiligen und abgespielten Inszenierung in der Tat flüchten können. In Leipzig bestand zur Flucht keinerlei Anlass. Hier stimmt nicht nur der musikalische Part. Hier fasziniert vom ersten Augenblick an eine Inszenierung, die mit den Registern des Traumtheaters und der Filmästhetik arbeitet und die sich mit ihrem Lichtzauber und ihren Bewegungsritualen am Stil eines Robert Wilson orientiert (Inszenierung und Bühne: Roland Aeschlimann). Erlebt und erträumt sich ein tumber Tor Parsifal eine „Traumnovelle“, eine „Odyssee im Weltraum“? Spielen die Gralsritter ihm ein futuristisches, ein Science -Fiction Märchen vor, ein Märchen mit einer leidenden Christusfigur und einem grandiosen Lichtspektakel zur Enthüllung des Grals?
Spielen und singen und tanzen die Blumenmädchen eigens für ihn als einzigem Zuschauer? Erfährt ein müder Parsifal im dritten Akt von einer buddhistischen Seelenwanderung, wenn er auf einen Gurnemanz trifft, der zum buddhistischen Mönch geworden ist, zum Vorsteher einer Gemeinschaft buddhistischer Mönche und der noch immer seinen Folianten dabei hat. Sein Evangelienbuch? Sein Buch mit den Lebensregeln Buddhas? Oder vielleicht das Regiebuch oder das Filmskript? Endet der Traum eines Parsifal damit, dass der „Erlöser“ im Weltraum entschwindet („Erlösung dem Erlöser“), der geheilte, wiedererstandene Anfortas/Christus zur Pietà erstarrt und eine Kundry/Maria Magdalena in den Armen hält, zur Pietà, hinter der der „heil’ge Speer“ als Siegeszeichen aufragt? Es mag sein, dass die Regie den Synkretismus der Riten und Religionen, auf den Wagner nicht zuletzt abzielte, etwas zu plakativ präsentiert. Vielleicht mag auch das bläuliche Licht, in das der Bühnenraum gehüllt ist, etwas zu aufdringlich eine Traumtheateratmosphäre signalisieren. Doch das sind nur beckmesserhafte Einwände gegen eine Inszenierung, die in ihrer Verbindung von Traum- und Filmästhetik, die in ihrem Spiel mit Motiven und Bildfragmenten aus Religionen und Riten ein brillantes Parsifal Spektakel kreiert.
„Die Premiere fand am 8. April 2006 statt“. Laut Programmheft handelt es sich um eine „Koproduktion des Grand Théâtre de Genève und der Opéra de Nice“.