Wenn sich schon die großen Bühnen mit einer opera seria schwer tun, um wie viel schwerer haben es da die kleinen Häuser. In Freiburg hat man sich mit dem Stadttheater Aachen zusammengetan, um Mozarts opere serie aufzuführen, ein Projekt, das wohl die künstlerischen Möglichkeiten beider Häuser übersteigt. Muss man doch, wenn das ganze nicht in einem Desaster enden soll, nicht nur über ein herausragendes Sängerensemble verfügen, sondern noch dazu einen Regisseur der Spitzenklasse engagieren können. In Freiburg hat man sich vielleicht in einem Akt künstlerischer Hybris über diesen Grundsatz leichtfertig hinweggesetzt und einem geduldigen, höflichen und toleranten Publikum eine Aufführung präsentiert, die nur als Zumutung zu qualifizieren ist. Zwar hatte man mit Iride Martínez einen langjährigen Star der Kölner Oper für die Rolle der Giunia engagiert, und natürlich sang diese als Primadonna so brillant, wie man das von ihren Kölner Auftritten her kennt. Allein die Martínez war auch der einzige Lichtblick im Freiburger Lucio Silla.
Für das, was sonst noch auf der Bühne geboten wurde, kann man nur aus der Bravourarie der Giunia zitieren: „Tutto mi fa spavento“. Alles war schrecklich. Offensichtlich unter der Zwangsvorstellung, eine opera seria unbedingt aktualisieren zu müssen, hat man in Freiburg aus dem Lucio Silla eine Gewalt- und Sexorgie unter gelangweilten jungen Oberschichtgangstern gemacht und das ganze noch mit technischen Mätzchen ein bisschen aufgemotzt. Da darf der Zuschauer über eine Videoeinspielung mit ansehen, wie der rivalisierende Gangster Marius sich selber meuchelt (eine Einlage für die Lateinlehrer und die Althistoriker unter den Zuschauern, die noch aus der römischen Geschichte den Bürgerkrieg zwischen Marius und Sulla kennen). Da werden die bieder-bemühten Sexspielchen oder auch die eine oder andere Arie vor einer Video-Kamera in Szene gesetzt, auf dass der Zuschauer beides gleich zweimal sehen darf: live auf der Bühne und in Großaufnahme auf der Leinwand. Überhaupt die Arien. In Freiburg haben sie wohl das Produktionsteam nur gestört, und so ließ man sie durchweg einfach von der Rampe oder noch besser gleich vor dem Vorhang singen. Warum, so fragt man sich am Ende eines ärgerlichen und langweiligen Abends, wurden nicht gleich alle Rezitative und Arien vor dem geschlossenen Vorhang vorgetragen? Eine konzertante Aufführung wäre ein Gewinn für den Freiburger Lucio Silla gewesen.