Ein Gemetzel ohne lieto fine. Nachtrag zum Stuttgarter Idomeneo

Den Idomeneo hatte ich in vorigen Saison schon gesehen und ihn als Antikriegsstück und als Studie über einen vom Krieg traumatisierten, verzweifelt gegen seine Gewaltobsessionen ankämpfenden hohen Offizier verstanden. Die Geschichte eines Generals Idomeneo, der im letzten Augenblick – formal im Opernkontext durch die Stimme des Orakels, in ‚Wirklichkeit’ durch die Stimme des Gewissens – vor einem finalen Gewaltausbruch bewahrt und geheilt wird.
Ein trügerischer Schluss, eine trügerische Deutung. Das gattungsbedingte lieto fine – das hatte ich beim ersten Mal gar nicht verstanden – gibt es in Waltraud Lehners Inszenierung nicht. Idomeneo mäht im Finale mit der Maschinenpistole alles nieder – der neue König Idamante ist eine Leiche, und Idomeneo erschießt sich. Ein lieto fine gibt es nur in der Wunsch- und Wahnwelt Idomeneos – und im Libretto und in der Musik.
Eine brillante Aktualisierung der scheinbar so antiquierten opera seria ist in Stuttgart zu bewundern. Eine Inszenierung – gegen die Musik und gegen das Libretto? Überragende Sängerschauspieler – allen voran Matthias Klink in der Titelrolle.
Schade, dass in der laufenden Saison der Idomeneo nicht mehr auf dem Programm steht. Ich wäre wohl noch einmal hingefahren. Der Stuttgarter Idomeneo ist um Klassen besser als der, den uns die Herren Dorn und Nagano zu schamlos überhöhten Preisen bei den Münchner Opernfestspielen 2008 vorgesetzt haben.
Wir sahen und hörten die 16. Vorstellung. Die Premiere war am 3. April 2008.