Einen nicht sonderlich anspruchsvollen, um nicht zu sagen, einen recht populären Figaro präsentiert die Nürnberger Oper zum Finale der Saison. Natürlich wird nach einem wohl durch die hochsommerlichen Temperaturen bedingten etwas müden Beginn gesungen und musiziert, wie es dem Niveau des Hauses entspricht. Doch macht die etwas zu museale Inszenierung aus diesem Nürnberger Figaro nicht viel mehr als über weite Strecken langweiliges und nicht unbedingt durchdachtes Stadttheater.
Man muss ja nicht immer gleich aktualisieren oder gar politisieren oder wie kürzlich am Theater an der Wien den Figaro von psychisch Gestörten in einer geschlossenen Anstalt spielen lassen. Doch museales Rokokotheater, zu dem man jetzt in Nürnberg zurückkehrte, ist wohl auch nicht unbedingt die Alternative. Ich will ja nicht sagen, dass es der Inszenierung von Mariame Clément an Einfällen und Gags mangelt – aber wohl an einer stringenten Grundkonzeption. Da beginnt man gleich zur Ouvertüre und im ersten Akt mit einem Metatheater Kunstgriff, mit dem Signal: Achtung, wir spielen Theater. Alle Akteure, mögen sie nun ihren Auftritt erst im Laufe des ersten Akts oder gar erst im zweiten Akt haben, sind auf der Szene versammelt. Die Contessa liegt im Bett, der Conte spielt mit seinen Jagdgewehren, Cherubino übt schon mal seine Kanzonetta auf der (stummen) Laute, Basilio gibt Gesangstunden, Susanna hängt die Wäsche auf, Figaro quält sich mit seinen Zahlen herum, die er sich auf bunten Zetteln notiert hat, das Dienstpersonal kocht und bügelt und arrangiert die Möbel. In dem großen Einraum Palais des Conte Almaviva geht es halt recht geschäftig zu. Das ist alles hübsch anzusehen – und lenkt doch nur von der Musik ab.
Es fehlt, wie schon gesagt, in dieser Inszenierung nicht an Gags. Die „Voi che sapete“ Arie intoniert Cherubino ohne Orchesterbegleitung zunächst gezielt falsch, und singt sie dann auf eine stumme Bitte der Contessa hin so, wie wir sie alle kennen. Zur „Porgi Amor“ Arie will sich die Contessa mit dem Brotmesser erstechen, das ihr glücklicherweise Susanna aus der Hand nimmt. Zum Duett Conte/Susanna im dritten Akt empfängt der Graf die Angebetete in langen weißen Unterhosen. Und im Finale da darf der Conte auf der Fragonard Schaukel Platz nehmen, und alle dürfen der Schaukel einen Stoß geben. Ein Akt der Respektlosigkeit oder gar der erste Anlauf zur Revolution? War dies die Grundkonzeption der Inszenierung? So billig und so einfach macht es sich die Regie nun doch nicht.
Die Fragonard Schaukel als erotisches Symbol konzentriert nach all dem so oft ablenkenden Aktionismus noch einmal die Grundthematik des ganzen Stücks. Le Nozze di Figaro ist, so will es wohl die Regie im Finale signalisieren, ein in Szene gesetzter Liebesreigen, in dem eine Vielzahl von Liebesdiskursen gleichsam durchgetanzt werden: die Galanterie, die Eifersucht, die ‚Liebe als Passion‘, die Nachsommerliebe usw. Wie schade, dass die Regie diese Grundthematik nicht stärker betont hat. Und wie schade vor allem, dass sie die Person der Susanna als Dummchen hingestellt hat, wo sie doch bei Mozart und Da Ponte die einzige Person ist, die sowohl mit der Liebe als Passion als auch mit der Galanterie zu spielen weiß und deswegen den Conte ‚auszutricksen‘ vermag.
Wie dem auch sei. Dem Publikum und vor allem den vielen jungen Leuten, die das Haus füllten, hat es gefallen. Mir auch, wenngleich ich, mit Verlaub gesagt, ein bisschen mehr erwartet hätte.
Wir sahen die Vorstellung am 21. Juli 2015. Die Premiere war am 27. Juni 2015.